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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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in ihre Hirne und Herzen dringt. Wer kann das anders als ich? Ich bin der Vater! Ich habe meinen Sohn hergegeben! Er ist verbrannt! In einem Autowrack verbrannt –«
    Er schlug beide Hände vor das Gesicht und schluchzte wild.
    Hellmut Hansen wandte sich ab. Der Anblick des alten, weinenden Mannes erinnerte ihn an Bob Barreis, wie er ihn damals traf, in Monte Carlo, elegant, mit dekorativ verbundenen Händen, gefeiert als Held des Tages, endlich eingebrochen in die Phalanx der großen Playboys, am Ziel seiner Träume, vollgenommen zu werden, an seiner Seite die Edelsuperhure Pia Cocconi, der er, Hellmut Hansen, später am Schwimmbecken der ›Piscine des Terrasses‹ die Brust streicheln durfte, weil er so schöne, schwielige Hände hatte, und das alles, während Lutz Adams noch im Leichenschauhaus lag und die Trümmer des Autos noch nicht erkaltet waren … und hier saß der Vater, spürte das Verbrechen bis in die tiefste Herzfaser, und man fing ihn ein wie einen Wolf, um ihn für immer hinter Gitter zu bringen.
    Die Macht der Barreis'. Was konnte sie besser demonstrieren?
    Es war ein ungeheurer Glücksfall gewesen, daß Hellmut Hansen an diesem Morgen durch die Waldschneise fuhr. Auf der Straße hatte er mit seinem Auto einen wechselnden Rehbock gestreift, und da er glaubte, ihn ernsthaft verletzt zu haben, war er hinter ihm hergefahren. Der Rehbock war verschwunden, statt seiner brach der alte Adams aus dem Gebüsch, fuchtelte mit den Armen und schrie: »Nehmen Sie mich mit! Schnell! Schnell! Ich erkläre Ihnen alles später!« Und als er Hansen erkannte, fiel er ihm um den Hals und weinte: »Es gibt einen Gott! Das ist der Beweis! Dich hat mir Gott geschickt. Bring mich weg. Junge, mein lieber Junge … sie wollen mich in eine Irrenanstalt stecken …«
    Hansen hatte nicht weiter gefragt. Wer ›sie‹ waren, ahnte er, brauchte keine weiteren Erklärungen. Er zog Adams neben sich auf den Sitz, knallte die Tür zu und gab Gas. Und dann tat er etwas, was Adams zunächst nicht verstand. Hansen fuhr zum Landhaus Theodor Haferkamps, außerhalb Vredenhausens in den romantischen Moränenhügeln.
    Adams wehrte sich nicht. Er lehnte sich nur in die Polster zurück und schloß erschüttert die Augen.
    »Gehörst du also auch schon zur Familie?« sagte er traurig. »Natürlich, du sitzt jetzt auf der Direktionsetage. Sie können alles kaufen, nicht wahr? Länder, Häuser, Gesetze, Menschen, Seelen … einfach alles. Nur Gott nicht, und das Schicksal! Und beide schreie ich an! Sie sind meine Verbündeten.«
    »Dieses Haus ist jetzt der sicherste Ort, Vater Adams.« Hellmut Hansen fuhr von hinten an das Landhaus heran. Es war seit Wochen unbewohnt. Haferkamp war in die Barreis-Villa umgezogen, um näher am Ort der Ereignisse zu sein. Auch Butler James war mitgezogen, nachdem er alle Möbel – nach urenglischer Art – mit weißen Leinenschonbezügen überzogen hatte. Es war offensichtlich, daß Haferkamp nicht eher das Schlachtfeld verließ und sich zur verdienten Ruhe absonderte, bis die große Schlacht gewonnen war.
    »Du hast einen Schlüssel, Hellmut?«
    »Ja. Aber du mußt im Keller wohnen.«
    »Ich spitze keine Möbel an.«
    »Nicht deswegen. Aber James wird ab und zu hierherkommen, lüften und nachsehen, ob alles in Ordnung ist. In den Keller geht er bestimmt nicht. Es gibt dort drei Räume für Personal … dort kannst du in Ruhe die Entwicklung abwarten.«
    »Ich will nicht warten – ich will die Wahrheit verbreiten.«
    Hellmut Hansen legte dem Alten beide Hände auf die Schultern. Sie blickten sich tief in die Augen, der alte Mann, dessen Leben keinen Sinn mehr hatte, und der Junge, der begann, in sein und anderer Leben Ordnung zu bringen. Und plötzlich wußten beide, daß sie ein Ziel hatten, nur die Wege waren verschieden.
    »Ich war Lutz' Freund«, sagte Hansen leise.
    »Ja, Hellmut.«
    »Wir beide wissen, was hinter der glatten Fassade von Bob Barreis sich versteckt.«
    »Und du hast ihm auch noch zweimal das Leben gerettet!«
    »Ich würde es ein drittes Mal tun, Vater Adams. Das ist ein anderes Kapitel. Gerechtigkeit ist nicht die Justiz der Rache. Man kann nicht Schuld löschen, indem man neue Schuld schafft. Aber ich verspreche dir, daß Bob für alles, was er schuldet, bezahlen wird.«
    »Es hört sich gut an, mein Junge.« Der alte Adams beugte sich vor und strich über die Wange Hellmuts. Eine so ergreifende Zärtlichkeit lag in diesem Streicheln, daß Hansen knirschend die Zähne zusammenbiß. »Du

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