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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht verstehen, bitte. Lesen Sie.«
    Adams nahm mit ausgestrecktem Arm das Papier an sich. Es war ein Vordruck, ein amtliches Schreiben, in das man nur in eine Leerzeile seinen Namen und seine Anschrift eingesetzt hatte. Und plötzlich begann der alte Adams zu zittern. Er legte das Schreiben neben die Zeitung auf den Tisch und stellte den Aschenbecher darauf, als könne ein Wind es wegwehen.
    »Ein Einweisungsbeschluß …«, sagte er leise. »Das ist also ein Einweisungsbeschluß. In eine Anstalt wollt ihr mich bringen, in die Klapsmühle, ihr wollt den Adams mundtot machen. Mit amtlichem Beschluß, Dienstsiegel und Paragraphen? Die einzige Stimme, die hier in diesem Dreckstall Vredenhausen noch die Wahrheit sagt, soll gegen kahle Wände schreien? Wer hat sich das ausgedacht? Wer hat das durchgepaukt bei den Ämtern und Amtsärzten? Wer wohl? Der gute Onkel Theodor, was? Dieser Dr. Dorlach? Diese ganze verfluchte Barreis-Clique, was? Sie nehmen mir meinen einzigen Sohn, und dafür soll ich jetzt ins Irrenhaus? Nicht mit mir, nicht mit mir!«
    »Machen Sie keine Schwierigkeiten, Herr Adams.« Der Mann mit dem Robbenbart unter der Nase winkte verstohlen. Die Wand der weißen Kittelmänner rückte näher, die beiden anderen Zivilisten – Adams hatte keine Ahnung, welche Funktionen sie darstellten – folgten als zweite Sturmreihe.
    Zuviel Ehre für einen einzigen alten Mann, dachte er. Fünf gegen einen. Die Macht des Staates kann nicht besser demonstriert werden. Er ging um den Tisch herum, der plötzlich eine Mauer zwischen ihm und den Männern wurde.
    »Wer hat mich untersucht?« schrie er plötzlich und hieb mit der Faust auf den Tisch.
    »Wir sind ja hier, um Sie zur Untersuchung zu bringen.«
    »Ich bin gesund! Ich bin völlig normal! Ungesund ist nur das Recht, das man manipulieren kann!«
    »Natürlich!« Der Robbenbart nickte geduldig. »Das wollen wir alles feststellen.«
    »Nichts wollt ihr. Mich ausschalten wollt ihr! Ich soll für immer den Mund halten und verrückt werden unter den Verrückten, die ihr mir in die Nebenbetten legt. Mein Gott, mein Gott, kann man denn für Geld alles kaufen?«
    Was dann geschah, darüber berichteten die fünf Männer in fünf verschiedenen Versionen. So schnell verlief alles, daß keiner genau den Hergang mehr beschreiben konnte.
    Ernst Adams riß einen Stuhl hoch und warf ihn mit aller Kraft dem Robbengesicht an den Kopf. Er traf gut, punktgenau … der Beamte des Gesundheitsamtes taumelte zurück, fiel gegen die anrückenden Krankenpfleger, brachte sie dadurch aus dem Tritt und ließ auch die beiden letzten Männer unaufmerksam werden.
    Im gleichen Augenblick, als der Stuhl durch die Luft flog, setzte Adams hinterher, zog den Kopf in die Schultern und rammte wie ein Ziegenbock eine Lücke zwischen die Männer. Er erreichte die Tür, die noch offen stand, rannte hinaus, schlug sie hinter sich zu und freute sich über die uralte, zusätzliche Sicherung, die er bisher nicht entfernt hatte und die seit fast hundert Jahren die Tür verunstaltete: ein normaler, dicker Riegel mit einem Loch, durch das man ein Vorhängeschloß hängt. Immer hatte Lutz diesen Riegel entfernen wollen, aber der Alte hatte sich gewehrt.
    »Er ist handgeschmiedet, Junge«, hatte er immer gesagt. »Er sieht nicht schön aus, aber er ist selten. Das Haus ist fast zweihundert Jahre alt, so lange wird der Riegel dran sein. Mich stört er nicht.« Und er hatte auch immer, zum Gaudium der Bewohner der Straße, ein großes Vorhängeschloß in die Öse geschoben, wenn er längere Zeit wegging.
    Jetzt war der Riegel seine Rettung.
    Fünf brüllende Männer warfen sich innen gegen die dicke Eichentür, Fäuste hieben dagegen, der Robbenbart stürzte zum nächsten Fenster, riß es auf und brüllte hinaus: »Aufhalten! Aufhalten!«
    Ernst Adams hielt niemand mehr auf. Der Wald war nicht weit, er wuchs in die Gärten der Siedlung hinein. Birken, Kiefern, Tannenschonungen. Jagdpächter: Theodor Haferkamp, wer sonst?
    Es ist erstaunlich, wie schnell alte Beine sein können. Noch bevor der Beamte vom Gesundheitsamt aus dem Fenster klettern konnte, war von Ernst Adams nichts mehr zu sehen.
    »Das ist kein Problem«, sagte später der Polizeimeister in der Wachstube der Vredenhausener Polizei. »Wir haben keinen Streifenwagen hier, aber ich rufe ihn sofort. Außerdem, der alte Adams … der ist kein Waldmensch. Warum soll denn der in die Klapsmühle?«
    »Amtliche Verfügung«, sagte der Robbenmann steif.
    »Nur weil

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