Ein Mann wie ein Erdbeben
bist wie mein Lutz. Du bist zu gut. Daran wirst du zerbrechen. Sie sind stärker, die Barreis', glaub es mir, sie vergolden Himmel und Hölle, und Engel und Teufel singen die Barreis-Melodie. Auch du wirst daran zerbrechen –«
Theodor Haferkamp verstand die Welt nicht mehr. Da diese Welt Vredenhausen hieß und ihm gehörte, war seine Gleichgewichtsstörung um so gravierender.
»Er taucht nicht auf«, sagte er zu Dr. Dorlach und Hellmut Hansen, acht Tage nach dem Verschwinden des alten Adams'. »Aber er ist hier in Vredenhausen. Ich spüre es! Er konnte nicht weit laufen, und das Auto, das ihn aufgelesen hat, gehört hier in den Ort. Irgendeiner bricht aus der Reihe aus. Es gibt hier jemanden, der den Alten versteckt. Himmel, regt mich das auf! Da tut man alles für seine Arbeiter, den höchsten Lohn, ein Bündel freiwilliger sozialer Zuwendungen, Siedlungen mit einem Hohn von Wohnungsmiete, Kredite über unser eigenes Kreditbüro, Betriebsausflüge … ich schaffe ihnen den Himmel auf Erden … und einer ist unter ihnen, der mich verrät. Das tut weh!«
»Trink einen, Onkel.« Hellmut Hansen goß ein Glas des von Haferkamp so geliebten Château Lafitte Rothschild ein. Rotwein, mit geschlossen Augen zu trinken. »Menschen werden immer enttäuschen.«
»Du sagst es, Hellmut.« Haferkamp schlürfte den gut temperierten Wein. Dr. Dorlach saß abseits am Schreibtisch der Barreis-Bibliothek und arbeitete ein Aktenstück durch. Er trank Whisky pur. Ein Sakrileg, fand Haferkamp, wenn andere gerade Lafitte Rothschild trinken. »Was sagt Robert über Dorlachs Plan, diese Bumsda zu heiraten?«
»Ach ja, Sie waren ja heute im Gefängnis, Hellmut. Erzählen Sie«, rief Dr. Dorlach aus dem Hintergrund.
»Bob ist begeistert. Er will Marion Cimbal sofort heiraten, wenn das geht. Nach dieser Eröffnung hat er mich angespuckt und ließ sich abführen.«
»Ich habe die Papiere vorbereitet. Bob wird sie morgen unterschreiben, und ich lege das Aufgebot beim Standesamt vor.«
»Und die Scheidung? Haben Sie mit dieser Cimbal ausgemacht, daß nach dem Schlußstrich unter die Affäre Peters auch ein Schlußstrich unter diese dämliche Ehe gezogen wird?«
»Ich habe mit Fräulein Cimbal gesprochen«, sagte Dr. Dorlach steif.
»Und?«
»Sie will nicht. Auch nicht gegen eine hohe Abfindung. Eigentlich sollten wir in Ehrfurcht erstarren … in dem ganzen Komplex ist die Liebe der beiden die einzige Wahrheit.«
»Ihren Sarkasmus können Sie sich an den Hut hängen, Doktor!« sagte Haferkamp giftig. »Man kann nur hoffen, daß diese Marion eines Tages aufwacht und erkennt, was sie da im Bett liegen hat. Robert als Ehemann … ist das überhaupt denkbar?«
»Ich weiß nicht, was die beiden verbindet.«
»Ich beschaffe Ihnen morgen einige Aufklärungsbücher, Doktor. Wenn ein Bienchen seinen Rüssel in einen Blütenkelch steckt … o Gott, ist das blöd!« Haferkamp schlürfte wieder laut und genußvoll den Lafitte Rothschild. DM 64,- die Flasche, jede Flasche numeriert. »Daß es Ihnen nicht gelingt, Bob aus der U-Haft herauszupauken!«
»Wenn er heiratet, ist die Chance da!«
»Ach!« Haferkamp zog die Brauen hoch. »Wirklich? Dann nichts wie rein in die Betten! Doktor, forcieren Sie diese Ehe. Ich werde dafür sorgen, daß Roberts Entlassung in die Freiheit ein Triumph wird. Die Presse soll sich satt fressen an dieser Sensation.«
»Und warum das alles, Onkel?« Hellmut Hansen schob mit einer Eisengabel ein Stück Holz tiefer in den prasselnden offenen Kamin. »Du hast Bob enterbt, du wirst ihn zum Teufel jagen …«
»Und das kann ich erst, wenn er frei ist. Ein hinter Gittern sitzender Barreis ist ein Schandfleck, den ich nicht dulde … ein irgendwo an der Riviera verkommender Barreis ist mir gleichgültig. Ich werde Bob die nötigen Mittel geben, sich standesgemäß zugrunde zu richten!«
Es gelang Dr. Dorlach wirklich: Bob Barreis wurde aus der Untersuchungshaft entlassen.
Marion Cimbal holte ihn mit einem riesigen Strauß roter Rosen ab, vor dem hohen Gefängnistor wartete der Barreis-Cadillac mit livriertem Chauffeur. Fotoreporter, Fernsehen und Rundfunk umlagerten dieses gut dekorierte Bühnenbild einer bitteren Komödie. Die Kameras klickten, die Fernsehkanonen surrten, Reporter mit Stenoblocks oder Mikrofonen in den Händen drängten zur Tür, als Bob – von Dr. Dorlach vorbereitet und blendend auf den Auftritt eingestellt –Marion zärtlich an sich zog und lange, lange küßte. Ein Kuß, der aus allen Richtungen
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