Ein Mann wie ein Erdbeben
nichts? Stehst herum wie ein ertappter Bettnässer?! Du Lebensretter … zweimal hast du es geschafft. Nun mach's ein drittes Mal. Rette mich vor dieser onkelhaften Hyäne! Ich will heiraten und leben … weiter nichts.«
»Und womöglich noch Kinder in die Welt setzen, damit sich dein Geist vererbt …«
»Das ist eine Idee …« Bob Barreis atmete ein paarmal tief ein. »Das ist eine Idee! Du hast mir die tödliche Waffe geliefert, Onkelchen. Ein Kind, mehrere Kinder … ich werde Marion ein Kind nach dem anderen machen, lauter Barreis' … ich werde dich mit Barreis' überschwemmen! Wohin du gucken wirst: Nur kleine Barreis'! Ein ganzes Nest voll! Alles Erben! Rechtmäßige Erben! Oh, ist dieser Gedanke himmlisch! Ich werde euch mit Barreis-Kindern ertränken!«
Haferkamp war bleich geworden. Er wußte in diesem Moment, daß jetzt nur Marion Cimbal allein die Situation retten konnte. Ihr Weggang von Bob. Aber, ach, das war nur ein Aufhalten. Es gab Weiber genug, die Bob schwängern konnte, und nach dem neuen Gesetz waren uneheliche Kinder den ehelichen gleichgestellt. Die Drohung war im Raum, und sie würde, so lange Bob lebte, als Schwert immer über seinem Haupt schweben: eine kleine Armee von Barreis-Nachkommen, ein Ameisenheer aus den Lenden Bobs, das einmal, wie die Termiten, auch die Barreis-Werke auffressen und unterhöhlen würde.
So geht es also auch nicht, dachte Haferkamp. Er war ruhig bis ins Herz, eiskalt, ein Computer von Macht und Möglichkeiten. Es gibt nur einen Weg, der gangbar ist und der zudem den Vorteil hat, moralisch einwandfrei und elegant zu sein: Bob Barreis durch Bob Barreis vernichten lassen. Wenn es jemandem leichtfiel, Bob zu Fall zu bringen, dann war es Bob selbst. Seine Begabung zur Selbstvernichtung war schlechthin genial.
»Gut«, sagte Haferkamp. »Mein letztes Wort: fünfzehntausend Mark monatlich, eine Wohnung in Cannes. Als Draufgabe ein neuer Wagen deiner Wahl.«
»Einen Iso Grifo.«
»Erledigt.«
»Das Bübchen bedankt sich artig.« Bob machte einen Knicks. Aber seine Augen glühten von innen heraus. »Es ist nur ein Waffenstillstand.«
Haferkamp zuckte mit den Schultern und verließ die Bibliothek. Er nahm die vage Hoffnung mit, daß Bob nicht ein Jahr mit diesen Möglichkeiten überlebte. Einen Rennwagen und fünfzehntausend Mark im Monat … das brach einem Bob Barreis den Hals.
Bob blickte Hellmut Hansen mit hochgezogenen Augenbrauen an. Sie waren allein. Der das Schicksal Herausfordernde und der vom Schicksal Geküßte.
»Wann heiratest du?« fragte Bob.
»Weihnachten.«
»Ich wünsche dir in der Hochzeitsnacht einen Blitzschlag mitten zwischen die Beine –«
Die Hände in den Taschen verließ Bob den Raum.
Im großen und ganzen war er zufrieden mit diesem Abend.
Die Hochzeit, so geheim sie gehalten worden war, erregte Vredenhausen doch mehr, als Theodor Haferkamp lieb war.
Man wußte, daß Haferkamp, der jedes Gesicht in der kleinen Stadt kannte, sich die Namen merken würde, die neugierig am Rathaus herumstanden, um diese merkwürdige Hochzeit zu bestaunen. Man hatte immer gehofft, eine Barreis-Ehe würde mit einem riesigen Feuerwerk, Freibier in den Werken und anderen Festlichkeiten begangen werden; nun heiratete der einzige Erbe ganz still, fast heimlich, niemand kannte die Braut, Pfarrer Lobsamen kam sogar ins Haus. Alles mehr als merkwürdig.
So waren denn auch alle Fenster rund um das Rathaus sofort ausgebucht, als man Tag und Zeit der Trauung – wieder durch eine unaufklärbare Indiskretion – erfuhr. Wie in Köln beim Karnevalszug alle Fenster an den Straßen, durch die der Zug läuft, Monate vorher als Logenplätze verkauft werden, so machten auch die Vredenhausener rund um den Marktplatz ein gutes Tagesgeschäft. Die drei Fenster von Bäckermeister Lommel, direkt neben dem Rathaus, kosteten pro Person zehn Mark. An jedem Fenster konnten sechs Menschen stehen, das machte also einen Reinverdienst von einhundertachtzig Mark, steuerfrei. So hoch war manchmal die normale Tageseinnahme in der Ladenkasse nicht.
Theodor Haferkamp verzichtete darauf, die an allen Fenstern hinter den Gardinen auftauchenden Köpfe zu zählen oder zu erkennen. Er ging würdevoll ins Rathaus, gefolgt von Hellmut Hansen, der Trauzeuge war, dem Brautpaar und Dr. Dorlach, einem Gentleman im blendend sitzenden Cut. Bob Barreis heiratete modern, in einem italienischen Maßanzug, blaugrundig mit breiten, weißen Streifen. Marion Cimbal trug Rosa … ein Kleid wie eine
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