Ein Mann wie ein Erdbeben
aussaugen lassen?«
»Ja.«
»Ihr Bier, Marion.« Dr. Dorlach prostete ihr zu. Sie hatte noch keinen Schluck getrunken und rührte das gefüllte Glas auch nicht an. »Sie werden morgen eine schöne Braut sein. Um 10 Uhr Standesamt, um 11 Uhr Kirche.«
Marion sprang auf. Ihr Gesicht zuckte. »Sie wollen wirklich die Kirche in diese Komödie einspannen?«
»Eine Haustrauung. Der große Saal ist als Kirche hergerichtet. Der Pfarrer kommt ins Haus.« Dr. Dorlach hob die Schultern. »Das Barreis-Geld. Rechnen Sie mal nach, wieviel Kirchensteuer die Arbeiter und Angestellten der Barreis-Werke jeden Monat abliefern! Die Jahreskirchensteuer von Herrn Haferkamp dürfte so hoch liegen, daß er sich einen eigenen Bischof leisten kann. Er ist auch im Kirchenvorstand, wird ein Kinderheim der Kirche finanzieren und bezahlt den dreitägigen Ausflug der Frauenhilfe in den Schwarzwald zu hundert Prozent. Da ist es nur eine schwache Gegenleistung, wenn der Pfarrer morgen hierher kommt, Ihre und Bobs Hände zusammenlegt und sagt: ›Bis der Tod euch scheidet!‹ Übrigens eine makabre Trauformel. Juristisch gesehen eine versteckte Aufforderung, Probleme auf diese Art zu lösen.« Dr. Dorlach winkte ab, als Marion noch etwas fragen wollte. »Marion, sparen Sie sich alle Erklärungen. Sie haben einen Geldberg erklettert – leben Sie nun mit der Aussicht, die Sie von dort genießen. Vor Ihnen liegt das weite, öde Land der Normalmenschen. Kümmern Sie sich nicht weiter darum …«
»Weiß Bob von allen diesen Plänen?«
»Kaum. Das heißt – er erfährt es jetzt von Herrn Haferkamp. Er wird, mit allem einverstanden sein.«
»Das glaube ich nicht!«
»Ihren Glauben in Ehren, Mädchen –« Dr. Dorlach lächelte mokant. »In dieser Stunde kauft Onkel Theodor seinem Neffen das letzte Stückchen Seele ab!«
Sie saßen vor dem breiten Kamin, immer durch einen leeren Sessel voneinander getrennt … drei gnadenlose Gegner, die bereit waren, den anderen jederzeit zu zerfleischen. Haferkamp hatte Whisky eingeschüttet, ein Zeichen, daß es hart wurde. Ein Kampf ohne Bandagen, mit der blanken Faust, bis der Gegner aufgab.
»Interessiert dich das morgige Programm?« eröffnete Haferkamp die Schlacht.
»Am Rande.« Bob lächelte böse. »Ich heirate ja bloß –«
»Gut. 10 Uhr Standesamt, 11 Uhr Kirche.«
»Der Himmel wird mitsingen, wenn sie ›Jesus, geh' voran!‹ spielen.«
»Pfarrer Lobsamen kommt ins Haus.«
»Vortrefflich. Lobsamen ist übrigens ein wunderbarer Name für einen Gottesmann. Wer Lobsamen heißt, dürfte nur Pfarrer werden. Lobet den Herrn und schüttet seinen Samen aus über alle Völker –«
»Der Termin deines Prozesses ist auf den 23. des nächsten Monats festgesetzt. Zwei Verhandlungstage. Am 24. wird also das Urteil verkündet. Es kann nur auf Freispruch lauten. Ist es rechtskräftig, läuft bereits die Scheidung.«
»Ihr seid wohl irr, was?« Bob lachte laut. Er schlug die Beine übereinander und ließ das Eis klirrend in seinem Whiskyglas kreisen. »Ich liebe Marion.«
»Das zu hören wird langsam langweilig.« Haferkamp stellte sein Glas krachend auf den Tisch. »Dorlach behauptet, auch diese Marion hängt an dir wie eine Fliege an einem Kuhhintern.«
»Noch ein solcher Vergleich, Onkelchen, und ich scheue mich nicht, dir eine runterzuhauen.« Bob Barreis spitzte genußvoll die Lippen, jetzt war er am Zug, jetzt konnte er diktieren: Die Familie brauchte eine blanke Fassade. Sie mußte ihn streicheln, damit er nicht immer wieder den Namen bespuckte. »Was soll eigentlich Hellmut hier? Muß er wieder ein Leben retten? Langsam wird mir seine Vorsorge schon homosexuell! In aller Form: Ich weigere mich, Hellmut in meinen Hintern kriechen zu lassen!«
Hansen schwieg. Er ließ sich nicht provozieren. Seine Waffe wartete im Keller von Haferkamps Villa draußen in den Moränenhügeln. Dort saß Ernst Adams und bastelte an einer Planskizze und einem Holzmodell, um allen zu beweisen, daß sein Sohn Lutz nicht hätte zu verbrennen brauchen. Vor allem wollte er beweisen, daß Bob Barreis gefahren war.
»Die Ehe wird geschieden«, sagte Haferkamp stur. »Marion Cimbal erhält als Abfindung hunderttausend Mark und legt den Namen ab. Den Namen Barreis. Du gehst ins Ausland, wohin, das ist mir egal, und erhältst nach einer Verzichterklärung auf Werk und Vermögen eine lebenslange Zahlung von monatlich zehntausend Mark steuerfrei, das sind im Jahr einhundertzwanzigtausend Mark. Damit kann man leben, auch in
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