Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
hinaus und kam nach fünf Minuten mit dem Tonbandkoffer zurück. Tschocky legte das mit einer roten Eins gekennzeichnete Band auf und drehte an dem Abspielknopf. Aus dem Lautsprecher tönte samtweich und höflich Bobs Stimme. Er sprach artikuliert, ein wenig übertrieben deutlich, wie ein Schauspieler, der Sprechübungen vor dem Spiegel macht und dabei seine Lippenstellungen kontrolliert.
    »Meine Freunde, was soll ich mit einer Pistole? Sie ist eine Waffe, die ich nie benutze. Meine Waffe sieht anders aus, ist nicht mit Perlmutt besetzt, ab und zu vielleicht mit einem Fleck aus Lippenstiftfarbe, und wenn ich mit ihr schieße, töte ich nicht, und die Schmerzen, die ich verursache, sind süß und unvergeßlich.«
    »Idiot!« sagte Schuhmann vom Schuhmann-Elektrokonzern in Bobs Rede hinein. »Tschock, dreh ab – sollen wir uns dieses Gespräch anhören?«
    Aber im gleichen Augenblick verstummte er, denn ganz deutlich, ganz klar, so, als seien sie Zeugen, die daneben hockten, sagte eine vor Seligkeit wegschwimmende Frauenstimme: »Bob, o Bob … du hast Hände wie ein Engel … Mein Liebling, wie zärtlich du sein kannst … Erwin ist direkt roh gegen dich …«
    Erwin Lundthaim zuckte zusammen und wurde glührot. »Verflucht, was ist das?« schrie er. »Ich –«
    »Halt's Maul!« zischte Tschocky. Bobs Tonbänder, das wußte er schon jetzt, enthielten für sie alle Hiebe mit glühenden Eisen. Sie würden in den nächsten Stunden durch eine Hölle gehen müssen, ohne wieder umkehren zu können. Und am Ende des Weges würden sie ausgebrannt sein, eine ausgeglühte Hülle, in der jetzt genug Platz war, um sie mit einem tödlichen Haß aufzufüllen.
    »Das war Norma Shelly, das süße Häschen aus Sheffield, das bis heute Lundthaim gehörte –«, sagte Bobs grausam liebliche und höfliche Stimme. »Und nun zu Tschocky, meinem lieben Freund. Hör gut zu. Ich glaube nicht, daß du sie vorher erkennst … in meinem Bett verändern sie alle Stimme, Wesen, Charakter und Weltbild. Ich verändere ihre seelische Landschaft wie ein Erdbeben. Es ist Freitag, mittags 12 Uhr 45. Du, lieber Tschock, liegst am Strand, im Glauben, sie sitzt jetzt beim Friseur unter der Trockenhaube. Was sie wirklich erhitzte … hör's dir an –«
    Zwanzig Minuten in einem Vulkan gelebt gesotten in der Lava, so kam sich Tschocky vor, als er mit verkrampften Fingern vor dem Tonbandkoffer saß und alles anhörte. Und dann zum Schluß der Name des Mädchens, präzise wie eine Zeitansage im Rundfunk.
    Gong. Die nächste Sendung.
    Alexander Willkes war dran. Der Reedersohn. Ein Baum von Mann, immer lächelnd, gutmütig, ein Bär mit goldenem Pelz.
    »Ich bring' ihn um …«, stammelte Willkes, als Bobs heißer Krieg auch sein Herz zerriß. »Bei Gott, ich höre mir das noch an, und dann zerlege ich dieses Schwein in seiner Wohnung!«
    Aber am Ende der ›Willkes-Sendung‹, wie Bob am Schluß mit feiner Ironie sagte, war er wie die anderen unfähig, sich zu rühren. Das Gehörte lähmte ihn … man kann einem Mann den Leib zerschießen, die Beine und die Arme amputieren, die Augen ausstechen und die Zunge herausreißen, seine Därme um einen Pfahl wickeln oder mit seinem Hirn Löcher stopfen … er wird's ertragen können. Nur eins kann er nie überwinden: Bei einer Frau lächerlich zu sein. Und sie alle, die jetzt hier um das verstummte Tonbandgerät saßen, waren zu Clowns geworden, zu armseligen, billigen, untalentierten, mickrigen, miesen, erbärmlichen Halunken der Liebe. Sie hatten es gehört, vielfach, grausam selig herausgestammelt, hinausgeschrien, weggestöhnt und zum Himmel geseufzt … ihr Todesurteil als Mann, gesprochen von den Frauen, deren Besitz ihr Stolz gewesen war, gefällt im Augenblick, als ein anderer Mann einen Himmel aufriß, wo für sie nur Wolken gewesen waren.
    Es war eine Niederlage, so vollkommen, daß nicht einmal die Geier ihre Leichen berühren würden … weil auch sie lachten.
    »Wir müssen ihn töten!« sagte Tschocky nach einer ganzen Zeit. Er sprach es aus, als stöhne er wie ein durch die Wüste Geirrter nach Wasser. »Es bleibt uns gar nichts anderes übrig … wir müssen es! Er reißt uns alle mit. Ich kenne ihn genau, besser als ihr … er ist ein Monstrum, bei dem alles, was es berührt, verdorrt. Er wird durch Cannes gehen, hin und her, und seine verheerende Spur hinterlassen. Dann wird es Monte Carlo sein, Nizza, San Remo, Alassio … er hat ja noch soviel Zeit. Die ganze Welt kann er zerstören. Wir müssen

Weitere Kostenlose Bücher