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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben
Autoren: Heinz G. Konsalik
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glitzernden, unzählbaren Lichter in der Tiefe. Für Bob war es jetzt ein trübsinniger Anblick. Er stand da, starrte in die helle Nacht, wanderte dann im Zimmer herum, trank vier Gläser Whisky, bis ihm der Alkohol nicht mehr schmeckte und er Sehnsucht hatte nach Marions Zärtlichkeit, ihrem herrlichen Körper und ihrer einmaligen Gabe, die Tote zu spielen oder sich vergewaltigen zu lassen. Aber Marion war tot, von der Düsseldorfer Brücke in den Rhein gesprungen, ein Rätsel wie das schwarze Meer vor dem Fenster, eine Frage, die niemand beantworten konnte. Dr. Dorlach hatte es versucht, aber Bob Barreis hatte ihn nicht verstanden. Hellmut Hansen versuchte es, noch kurz bevor Bob für immer nach Cannes zog … und Bob hatte ihn angeschrien: »Laß mich in Ruhe, du Sanftmutpisser! Zum Teufel, wie verlogen ist diese Welt! Marion hat mich geliebt, aber ihr habt sie fertiggemacht. Mit Schecks, mit schönen Reden, mit seelischem Terror. Daran ist sie zerbrochen! Nur daran! Ihr Mörder!«
    Dann hatte er Hellmut angespuckt und sich gewundert, daß dieser ihn nicht zu Boden schlug.
    »Feigling!« hatte er gebrüllt. »Du mit deinem Gütetripper! Aus dir tropft die pure Menschlichkeit wie Eiter!«
    Und Hellmut Hansen hatte ganz langsam gesagt: »Paß auf dich auf, Bob. Nun bist du allein, ganz allein! Das warst du noch nie.«
    Die letzte Regung eines Freundes … Bob verstand auch das nicht. Er war abgefahren, in seinem neuen Maserati, einem ›Dosenaufreißen‹, wie Tschocky ihn nannte, als er sich vor einem Jahr auch einen kaufte und nach vier Monaten gegen eine Mauer setzte, weil bei 140 Kilometer Geschwindigkeit seine Beifahrerin am falschen Knüppel 2. und 3. Gang spielte. Damals lachte alles tagelang über Tschockys Liebes-Rallye … jetzt, als Bob daran dachte, ballte er die Fäuste und stierte wieder auf die kleine Pistole in dem samtausgeschlagenen Kästchen.
    »Ich werde der Größte sein!« sagte Bob Barreis laut. »Ich werde morgen beginnen, nicht nur Cannes, nein, die ganze Riviera zu erobern! Bob Barreis nicht zu kennen … das wird einmal ein Verbrechen sein wie Kinderschlachten.«
    Er nahm die Pistole aus dem Kasten, betrachtete sie genau, sah, daß sie – wie auf dem Zettel stand – nur mit einer Patrone geladen war, öffnete das Fenster, legte an, kniff das Auge zu und zielte hoch in den Nachthimmel. Der Schuß ging unter in der Weite … ein dünnes Peitschen nur, leiser als eine Fehlzündung, dachte Bob, lächerlich winzig fast und doch tödlich … das war das Erschreckende daran. Man kann ein Leben beenden mit einem kleinen Fingerruck, mit einem winzigen Knall, mit einem Gerät, das in die Handfläche paßt, das darin verschwindet, wenn man die Finger schließt.
    Bob starrte hinauf in die vom Widerschein der Tausende Lichter fahle Dunkelheit des Himmels.
    »Auf dich habe ich gezielt, Gott!« sagte er mit einem Stolz, der nahe an der Verzweiflung lag. »Du lieber Gott, du Gott der Anständigen, der Haubenträger, der Heuchler, derer, die mit deinem Namen Geschäfte machen, der sich in Purpur Wickelnden, derer, die dich als Alibi nötig haben, du lieber, lieber Gott der inbrünstig Betenden, die dich in Wahrheit mit jedem ihrer Worte kastrieren … ich habe dich erschossen! Für mich bist du ab heute nacht« – er blickte auf seine goldene Armbanduhr – »seit 23 Uhr 19 tot! Von jetzt ab lebe ich wie ein Satan! Er ist der einzige, den die Welt braucht, den sie anerkennt, dem sie huldigt, dem sie den Arsch küßt, während sie gleichzeitig von dir Hosianna singt. Und, lieber Gott, hör mich an, den höllischen Propheten: Du wirst an deinem Irrtum untergehen … an dem Irrtum, diese Welt und den Menschen nach deinem Ebenbild geschaffen zu haben! Prost, lieber Gott … ich verneige mich vor dir, dem Toten … ich habe immer ein Faible für Tote gehabt.«
    Er machte eine tiefe Verbeugung gegen den Nachthimmel, warf das Fenster zu, legte die kleine Pistole zwischen die roten Rosen in der Vase, die ihm die liebestolle Amerikanerin gebracht hatte – »Jede Rose ein heißer Kuß, my sweet« und nahm dann seine unruhige Wanderung durchs Zimmer wieder auf.
    Wo ansetzen, grübelte er. Wo treffe ich sie am meisten? Ihr Stolz sind die Frauen … ich werde sie ihnen wegnehmen, eine nach der anderen, ich werde sie lächerlich machen wie Impotente, die einen Herkules zeugen wollen.
    Im Sessel schlief er ein, das Glas mit Whisky in der Hand. Er merkte und hörte es nicht, als es ihm aus der Hand fiel und auf dem
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