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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Glanz.
    »Tschocky!« rief er. »Mensch, so ein Zufall! Du in Cannes! Gehen wir ins Maxim? Oder zu mir? Ja, zu mir. Ich wohne jetzt hier. Eine kleine Wohnung im neuen Fiori-Hochhaus! Ein Blick übers Meer, bei dem man träumen kann! Komm mit –«
    Tschocky musterte Bob und zog die Brauen zusammen. »Verzeihen Sie – Sie verwechseln mich«, sagte er steif. »Das muß ein Irrtum sein …«
    »Ein Irrtum? Mensch, Fritz …« Bob begriff nicht. Er tippte Tschocky gegen die Brust. Der trat einen Schritt zurück, sichtlich belästigt. »Bist du nicht Fritz Tschocky?«
    »Ich heiße so, ja.« Tschockys Gesicht wurde so hochmütig, daß es lang und gummiähnlich wirkte. »Und trotzdem ist es ein Irrtum … Sie verwechseln mich, wenn Sie glauben, mich zu kennen. Ich habe mein ganzes Leben lang vermieden, Leute wie Sie in meiner Nähe zu dulden –«
    Er streckte den Arm aus, schob mit einem Ruck Bob aus dem Weg und ging mit einem Stolz, der sengende Hitze über Bob ergoß, an ihm vorbei. Und jetzt erst begriff Bob Barreis, daß Cannes ein Paradies sein würde, an dessen Zaun er stehen würde, in das er aber nie hineinkam. Die Clique um Fritz Tschocky war die Gesellschaft, um deren Gunst sich Barreis bemühte, ohne die er jetzt nicht mehr leben konnte, die sein Ziel war, das letzte Ziel, das er erreichen konnte: ein Star im Jet-Set zu sein. Eine schillernde Blase. Ein vergoldetes Nichts. Ein umjubelter Dieb der Zeit. Ein Held in tausend Nächten. Ein männliches Erdbeben.
    Und jetzt tauchte Tschocky auf und warf ihm die Tür zu.
    »Du Schwein –«, sagte Barreis leise und starrte Tschocky nach. »Du elendes Schwein! Auf einen Zweikampf mit dir freue ich mich!«
    Drei Stunden lang strich er durch die Straßen von Cannes, bis er Tschocky auf der Terrasse des Hotels d'Angleterre beim Campari sitzen sah. Neben ihm am Tisch rekelten sich Erwin Lundthaim, Erbe eines chemischen Konzerns, Alexander Willkes, Sohn eines Reeders, und Hans-Georg Schuhmann, Erbe des Schuhmann-Elektrokonzerns.
    Bob Barreis drückte das Kinn an, betrat die Terrasse, suchte sich einen freien Tisch an der mit Blumenkästen geschmückten Balustrade und bestellte eine halbe Flasche Champagner. Eisgekühlt, mit Orangensaft.
    »Da ist er«, sagte Tschocky gelangweilt. »Der Schrumpf-Playboy. Er wird uns auf dem Pelz bleiben wie ein Floh. Jungs, wir müssen uns etwas einfallen lassen. Wo ein Bob Barreis auftaucht, ist Selbstschutz die einzige Überlebenschance.«
    Am Abend übergab ein Bote Bob Barreis in seiner Wohnung im Fiori-Hochhaus ein Päckchen. Es enthielt eine kleine, mit schimmerndem Perlmutt eingelegte, scharf geladene Pistole und einen Zettel mit dem Satz: »Nur eine Patrone im Lauf … sie genügt.«

13
    Kampf heißt Angriff … das hatte Bob Barreis gelernt. Es war einer der wenigen Lehrsätze von Onkel Theodor Haferkamp, die er behalten hatte, weil sie sich in der Praxis als wahr erwiesen. Andere Kernsätze aus Haferkamps Lebensphilosophie, wie etwa: ›Wer unter dir steht, kann bald über dir sein!‹ oder ›Auch mit Pellkartoffeln und Heringen ist das Leben schön!‹ tat Bob als Spielereien mit dummen Sprüchen ab. Unter ihm hatte noch keiner gestanden, nur gelegen, und das waren die Weiber, und wenn sie wirklich über ihm waren, so nur, um Variationen des Genusses zu praktizieren. Und mit Pellkartoffeln hatte er bei einer Demonstration seine Lehrer auf dem Gymnasium beworfen, aus dem Hinterhalt natürlich, unsichtbar, wie es seiner Natur entsprach, und Hellmut Hansen war es wieder gewesen, der sich schnappen ließ und klaglos Verweis und ein Jahr lang besonderes Interesse des Lehrerkollegiums genoß.
    Jetzt aber, mit der kleinen Pistole auf dem Tisch, gab es kein Verkriechen mehr. Jetzt war er zur offenen Schlacht aufgefordert, und Bob war bereit, sich zu stellen.
    Lange stand er am Fenster und blickte hinunter über das in ein glitzerndes Nachttuch gehüllte Cannes. Ein Anblick voller Zauber … das Lichtermeer der Häuser und Straßen, und dahinter, schwarz, nur von wenigen lautlos gleitenden Positionslichtern betupft, das richtige Meer, mit dem Himmel zusammenstoßend im ewigen, nie lösbaren Geheimnis. Wer hier am Fenster stand – und es waren schon einen Tag nach Bobs Einzug in das Apartment zwei Frauen gewesen, eine Amerikanerin von dreiundvierzig Jahren nach dem Mittagessen und eine kleine Verkäuferin aus der Boutique ›Angélique‹ in der Nacht –, vergaß seine eigene Erdenschwere und wurde so vom Schweben erfaßt wie die
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