Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
erbarmungslose Treibjagd, ein Rennen um das Leben. Malu begriff das nicht … sie klammerte sich an dem kleinen Haltegriff fest und machte die Augen zu, wenn die Kurven auf sie zuflogen.
    »Auto fahren kannst du, verdammt noch mal«, sagte sie einmal. »Aber der Alte fährt auch wie der Teufel!«.
    Gaston raste im Strahl der Scheinwerfer zu Tal. So rätselhaft für sein Gehirn das nackte Mädchen in seiner Hütte immer noch war, so klar erkannte er jetzt seine Situation.
    Das Leben war gerettet, wenn er die Straße nach Briançon erreichte. Er wird mich nicht umfahren, dachte er. Nein, das kann er nicht. Er kann mich auch nicht abdrängen. Das Mädchen ist neben ihm. Das ist mein Schutz, das ist mein Leben … Gott im Himmel, laß mich leben …
    Bis auf zwei Meter näherte sich Bob dem Motorrad. Gaston lag über dem Lenker, als müsse er die Räder in die Straße drücken mit seinem Gewicht. Noch zehn Minuten, höchstens zehn Minuten, dann bin ich gerettet. Ich werde den Namen Barreis vergessen, das schwöre ich. Ich habe ihn nie gehört! Ich habe nie ein Auto an einer Felswand verbrennen sehen. Nie habe ich einen Menschen schreien gehört. Ich habe in meinem Bett gelegen und geschlafen wie jede Nacht.
    Die große Nadelkurve. Eine Bahn aus Eis. Glitzernd im Scheinwerfer wie eine kristallene Schüssel. Daneben der Abgrund. Vierhundert Meter Felsen.
    Gaston Brillier gab Gas. Wie ein Geschoß raste er in die Kurve, verfehlte den Bogen und schleuderte hinaus in die Nacht. Ein flimmernder Punkt, so schwebte er sekundenlang durch die Dunkelheit, bis er abwärts stürzte und in der Tiefe versank. Nur sein brüllender Schrei blieb zurück und hing in der kalten Luft wie ein gefrorener Tropfen.
    Bob Barreis bremste vorsichtig und fuhr an den Rand der Kurve. Das merkwürdige, unbekannte, den ganzen Körper durchströmende Gefühl nahm ihm wieder den Atem.
    Ein Mensch stirbt. Mit einem Schrei.
    Er preßte die Beine zusammen und biß sich in die Unterlippe. Neben ihm weinte Malu. Sie war stumm vor Entsetzen.
    »Es war ein Unfall«, sagte Bob heiser. »Du hast es selbst gesehen.«
    »Ja.« Ihr Arm zitterte wie unter Stromstößen, als sie ihn um ihn legte. »Der arme, alte Mann …«
    »Bist du verrückt, Malu? Was soll das?«
    »Ich bin mitschuldig.«
    »Nun schlag dir bloß diesen Blödsinn aus dem Kopf! Keiner konnte wissen, daß er wie ein Irrer durch die Nacht rast.« Bob drehte vorsichtig auf der engen Straße und fuhr wieder den Berg hinauf.
    »Wohin willst du denn?« fragte Malu.
    »Zurück nach Ludon. Den Unfall melden. Wir sind schließlich die einzigen Zeugen.«
    Am Morgen holte man Gaston aus der Schlucht. Er sah nicht entstellt aus, er hatte sich bloß den Hals gebrochen. Die Bauern von Ludon bahrten ihn in der Kirche auf, obgleich er im Alter ein Wüstling geworden war. Aber Gott hatte ihn ja bestraft, im Augenblick seiner größten Schuld und seiner schamlosesten Lüge. So glaubten sie wenigstens, die Bauern von Ludon, und Bob Barreis stiftete sogar einen Sarg, wie man ihn in Ludon seit bestimmt hundert Jahren nicht mehr gesehen hatte. Mit einem kupfernen Christus auf dem gewölbten Deckel.
    Aber das sah Bob Barreis nicht mehr. Als Gaston Brillier in den Sarg gelegt wurde, war er auf dem Flug nach Deutschland. Mit ihm reiste der Vorsatz, einige Monate lang Monte Carlo zu meiden und die Freuden des Lebens an anderen Orten aufzuspüren.
    Die Cessna der Barreis-Werke surrte ruhig über die Alpen, als Bob sich an Hellmut Hansen wandte und ihm die Zeitung herunterdrückte, in der er gerade las.
    Die vergangenen Stunden waren sehr einsilbig gewesen. Als Bob am Morgen nach der dramatischen Nacht im Hotel erschien, saß Hellmut Hansen bereits unten im Frühstücksraum und wartete auf ihn.
    »In einer Stunde fliegen wir nach Vredenhausen«, sagte er ohne Einleitung, als Bob zu einer großen Begrüßung ansetzen wollte. »Hubert Meyer wartet auf dem Flugplatz Nizza.«
    »Zu Befehl!« Bob Barreis setzte sich. »Bewilligt man mir die Zeit, ein Brötchen zu essen?«
    »Red nicht so blöd!«
    »Auch eine Tasse Tee?«
    »Von mir aus kannst du eine ganze Kanne saufen! Ich wollte dir nur sagen, daß Onkel Theo angerufen hat und mit dem Knöchel gegen das Telefon geschlagen hat. Heute nachmittag ist das Begräbnis von Lutz.«
    Bob senkte den Kopf. »Man verlangt doch nicht von mir, daß ich da mitmarschiere?«
    »Das wenigste ist, daß du dem Vater die Hand drückst.«
    »Lutz hat sich selbst in den Tod gefahren.«
    »Mag sein. Das

Weitere Kostenlose Bücher