Ein Mann wie ein Erdbeben
hörte man Hüsteln und schlurfende Schritte. Das Licht flammte auf und schien durch die Ritzen der plumpen Fensterläden. Fröstelnd und mit deutlicher Angst zog Marietta Lucca ihren Pelzmantel um ihren Körper.
»Du weißt, wie alles zu laufen hat?« flüsterte Bob aus der Dunkelheit. Malu nickte.
»Ja, Bob. Verflucht, ich habe Angst –«
»Es ist keinen Moment gefährlich. Ich bleibe vor der Tür.«
»Und wenn er mich wirklich …«
»Ertrage es! Sechstausend Francs, Püppchen –«
»Ein alter, stinkender Bauer …«
»Du sollst ihn nicht riechen, sondern ihm den Kopf verdrehen.« Bob Barreis drückte sich gegen die rauhe Steinwand. »Er kommt. Zeig, was du kannst, Malu …«
Gaston Brillier öffnete die schwere Tür. Aber bevor er etwas fragen konnte, schlüpfte etwas Schmales in einem Pelz an ihm vorbei in die Hütte und machte erst vor dem riesigen, alten Bett halt. Dort kicherte das fremde Wesen, warf den Pelz ab, und Gaston erkannte, daß es sich um ein Mädchen handelte. Er warf die Tür zu, wischte sich mit beiden Händen über die Augen und tappte wie ein Bär zum zentralen Ofen.
»Mademoiselle«, sagte er. »Nein, so was! Wer sind Sie? Woher kommen Sie? Halt! Was wollen Sie auf meinem Bett? Lassen Sie das sein, Mademoiselle –«
Malu hatte begonnen, sich auszuziehen. Zuerst Hose und Pullover, jetzt Büstenhalter und Strumpfgürtel. Es fehlte nur noch das Höschen, ein schmales Ding aus Nylon, durchsichtig, einen schwarzen Dreieckfleck verratend. Gaston starrte das Mädchen an, die volle, geschwungene Brust, die Linie der Hüften, diese glatte, weißliche Nacktheit, die er zum letztenmal vor neununddreißig Jahren so unverhüllt und in Natur betrachtet hatte.
»Sind Sie verrückt, Mademoiselle?« fragte er rauh. »Nein, so etwas, so etwas! Sind Ihre Kleider naß? Wollen Sie sie trocknen? Ich mache die Leine sofort frei. Nehmen Sie das Bettuch und wickeln Sie sich ein. Hat man so etwas schon gesehen?«
Er tappte auf Malu zu, nicht um sie anzufassen, sondern um ihr zu helfen, das Bettlaken aus den Ritzen der Matratze zu ziehen. Aber einen Meter vor ihr begann sie plötzlich zu schreien, schrill und durchdringend, wie damals die Sirenen im Krieg, als die deutschen Flugzeuge am Himmel erschienen.
»Was haben Sie denn, Mademoiselle?« rief Gaston dröhnend. »Haben Sie Schmerzen?«
Seine Naivität rührte Malu, aber sie schrie weiter, denn für außergeschäftliche Gefühle bekommt man kein Geld. Vor den entsetzten Blicken Gastons zerriß sie ihre Wäsche, ließ sich auf das Bett fallen und strampelte wild mit den Beinen. Wie ein Schild preßten sich ihre beiden Hände auf den Schoß.
Hinter Gaston krachte die Tür gegen die Wand. Er fuhr herum, duckte sich und stieß die Fäuste vor. Bob Barreis stand im Raum. Empörung und Ekel flossen aus seinem Blick.
»Hilfe!« schrie Malu hinter Gaston auf dem Bett. »Bob! Bob! Er hat mir die Kleider vom Leib gerissen und wollte mich … O Bob … es war schrecklich … wie ein Tier war er …« Dann weinte sie. Es gelang vorzüglich. Ihr nackter Körper wurde von Schluchzen förmlich geschüttelt.
»Sie Schwein!« sagte Bob Barreis gefährlich leise. »Sie elendes Schwein! Man sollte Ihnen den Schädel einschlagen …«
Gaston Brillier verstand die Welt nicht mehr. Er tappte zum Ofen, schielte zu dem nackten, fremden Mädchen und dann zu Bob. Dann schüttelte er den Kopf, hilflos und fast kindisch.
»Ich kenne sie gar nicht. Was wollen Sie von mir, Monsieur? Kommt hier rein und zieht sich aus …«
»Sie haben meine Braut vergewaltigen wollen!« schrie Bob. »Wo ist Lafette, der Gendarm? Die Polizei muß her! Ein Wüstling, der die Mädchen anfällt wie ein Wolf!«
»Ich kenne sie nicht!« brüllte Gaston plötzlich. In seinem Hirn dämmerte die Erkenntnis auf, daß diese Situation ihm eine Schlinge um den Hals legen konnte. »Ich schwöre es Ihnen, Monsieur –«
»Aufs Bett hat er mich geschleudert. Mit einer unmenschlichen Kraft. Und hier … hier … hier …« Malu hob die zerfetzten Wäschestücke hoch. »Wie ein Tier …«
»Man sollte Ihnen das Hirn aus dem Kasten schlagen!« schrie Bob Barreis. Auch er spielte seine Rolle in klassischer Vollkommenheit. »Bleib so, wie du bist, Malu! Ich hole den Gendarm! Nur ein paar Minuten.«
»Monsieur!« schrie Gaston dumpf. »Ich habe nichts getan! Ich schwöre es Ihnen …« Er schwankte durchs Zimmer, ließ sich auf die Holzbank sinken und starrte vor sich hin. Malu verkroch sich in dem
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