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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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bald den alten Adams, der am Kopfteil auf einem Schemel saß. Was niemand laut auszusprechen wagte, das sagten die Blumen um so lauter. Theo Haferkamp, der seinen riesigen Kranz selbst zur Friedhofskapelle brachte, unterstützt von Dr. Dorlach, verstand dieses Blütenmeer nur zu gut. Noch einmal versuchte er, in die verhärtete Seele des alten Adams einzudringen. Er wand sich durch die Kränze zu dem sitzenden Alten durch und räusperte sich diskret. Adams sah kurz hoch.
    »Wir müssen Schicksalsschläge ertragen lernen«, sagte Haferkamp mit belegter Stimme. »Als vor sieben Jahren meine liebe Frau starb …«
    »Sie hatte Krebs«, unterbrach ihn Adams. Haferkamp nickte.
    »Ein furchtbares Sterben. Aber ich sagte mir: Das Leben muß weitergehen –«
    »Lutz hatte keinen Krebs. Er war kerngesund. Er mußte für nichts sterben! Für nichts! Oder nennen Sie Ehrgeiz, wahnsinnigen, verblendeten, blödsinnigen Ehrgeiz eine Tugend?«
    »Nicht direkt …«, wich Haferkamp aus.
    »Würden Sie Ihr Leben einsetzen für einen dämlichen Silberpokal?«
    »Ich weiß nicht. In meiner Jugend hatte ich den Ehrgeiz, unbezwungene Berggipfel zu erobern! Jeder Mensch strebt nach irgendeiner Ehre, nach einer außergewöhnlichen Leistung, nach etwas Besonderem! Hier war es das Autorennen. Würde man so wie Sie denken, Adams, gäbe es keine Rekorde, keinen Fortschritt, keine Zukunft … Immer will der Mensch wissen, wo die Grenze seiner Leistung ist … seit Jahrhunderten, und immer mehr verschiebt sie sich ins Außergewöhnliche. Das ist nun mal so.«
    Ernst Adams schwieg. Dann sah er Theo Haferkamp voll an.
    »Wie ist es passiert?«
    »Wir haben die polizeilichen Feststellungen –«
    »Sie beziehen sich auf die Aussagen Ihres Neffen.«
    »Robert war ja auch der einzige Augenzeuge.«
    »Der überlebte …«
    »Mein Gott, wollen Sie ihm das zum Vorwurf machen, Adams? Sollte er sich mitverbrennen lassen, nur aus lauter Freundschaft? Das geht zu weit!«
    »Wer hat den Wagen gefahren?«
    »Ihr Sohn –«
    »– sagt Ihr Neffe.«
    »Sie glauben das nicht?«
    Ernst Adams schwieg. Er sah auf den Sarg und legte die Hände auf das Kopfteil. Es sah rührend aus, und Haferkamp spürte, wie ehrliche Ergriffenheit in ihm hochstieg. Hätte ich doch nie in diese Familie hineingeheiratet, dachte er bitter. Aber Angela Barreis war damals ein hübsches Mädchen, hatte Geld, war Mitbesitzerin des Familienbetriebes, und ich war nur ein armer Diplom-Ingenieur, der in der Zeit der großen deutschen Arbeitslosigkeit nach dem Ersten Weltkrieg sich die Sohlen ablief, um eine Stellung zu bekommen. Da lernte ich Angela Barreis bei einem Gartenfest kennen; sie trug ein weißes Spitzenkleid und sah so kindlich aus … und so reich. Die Ehe mit Angela habe ich nie bereut … aber diese Barreis-Familie habe ich jeden Tag verflucht! Nun bin ich ihr Chef, ihr blankpoliertes Schild, ihr Haudegen, der alles von ihr abzuwenden hat, was Dreck auf den Namen schleudert, auch wenn es der Schmutz der Wahrheit ist. Ein Leben zum Kotzen … trotz der Millionen, auf denen man sitzt wie eine brütende Henne.
    »Adams –«, sagte Haferkamp gepreßt. »Wenn das Begräbnis vorbei ist, sollten wir zwei ganz allein in aller Ruhe über alles sprechen. Ihren Sohn bringt niemand wieder … weder Trauer noch Haß! Dieses Kapitel Ihres Lebens ist abgeschlossen. Es ist furchtbar, aber nichts im Leben läßt sich zurückdrehen. Schicksalsschläge sind Endgültigkeiten. Kommen Sie – bleiben Sie die nächsten Stunden bei mir. Ich hatte nie das Glück, Vater eines Jungen zu sein, aber ich bringe das Gefühl dafür auf.«
    »Das können Sie nie, Herr Haferkamp.«
    »Was wollen Sie, Adams? Rache an Robert? Wofür Rache?«
    »Ich will ihn vor aller Welt nach der Wahrheit fragen!«
    »Sie wollen also einen Skandal?«
    »Ist die Wahrheit ein Skandal?«
    »Sie wollen Robert während der Beerdigungsfeier attackieren?«
    »Ich werde ihn nur fragen. Darf ein Vater das nicht? Mein Sohn hier –« er klopfte mit der flachen Hand auf den Sarg »– hat viele Fragen für mich hinterlassen. Und jetzt gehen Sie, Herr Haferkamp, bitte … ich kann nur noch wenige Stunden mit meinem Jungen zusammen sein. Die will ich ausnützen …«
    Verwirrt und bis aufs äußerste beunruhigt verließ Haferkamp die Friedhofskapelle. Dr. Dorlach wartete draußen und rauchte ein Zigarillo. Als er das Gesicht Haferkamps sah, nickte er ernst.
    »Der Alte will einen Rummel, nicht wahr?«
    »Er hat recht, Doktor.«
    »Das sagen

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