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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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den schmalen Felsenweg in die hitzeglühenden Berge hinein. Sie waren seit fünf Tagen unterwegs. Tschocky, der die Buchführung übernommen hatte, trug in eine Art ›Bordbuch‹ alles ein, was sich ereignete. Gewissenhaft notierte er:
    5. Mai. Abfahrt von Essen. Ankunft in Como 23.17 Uhr. Hotel Gardenia. Todmüde, trotzdem in der Bar Laura und Violetta kennengelernt. Verlosung: Laura für mich. War sehr schön.
    6. Mai. Autostrada del Sole. Bei Rom Anhalterinnen. Zwei Engländerinnen. Mabel und Jane. Im Pinienhain an der Via Appia antica großes Vernaschen. Mabel war fabelhaft. Bob rollte mit Jane auf ein altrömisches Grab und verschaffte der Kleinen eine Prellung am linken Oberschenkel. Setzten sie dann in Ostia ab. Übernachtung in einem Motel. Im Nebenapartment arbeitete ein Pärchen die ganze Nacht. Kein Auge geschlossen. Scheußlich, nur zuhören zu müssen.
    7. Mai. Erreichen spät Reggio di Calabria. Kein Fährbetrieb mehr. Übernachten im Hotel Paradiso. Zimmermädchen Lisa aus Emmerich am Rhein glücklich, einen Landsmann zu treffen. Gute deutsche Bettfeier. Bob blieb ohne. Die Hausdiener und Kellner bewachten ihn wie einen Politiker. Sein Engelsgesicht macht hier die Weiber rein verrückt.
    8. Mai. Übersetzen nach Messina. Lernen Rosa und Julia kennen. Heiß wie die sizilianische Sonne. Bleiben in Messina. Wieder Verlosung. Bob gewinnt Rosa. Im Zimmer stellt sich heraus, Rosa ist ein Transvestit. Und das Bob! Ich lach' mich krumm.
    9. Mai. Im Einsatzgebiet. Catania liegt hinter uns …
    Das war die letzte Eintragung. Bis hierher eine fröhliche Buchhaltung des genossenen Lebens. Die nächsten Zeilen würden nüchterner lauten. Geschäftlich. Etwa so: Übernahme der Ware. Rückkehr zum Festland …
    Tschocky hatte für dieses makabre Abenteuer aus dem Fuhrpark der Familie den starken Kombiwagen genommen, mit dem sonst der alte Tschocky zur Jagd fuhr. Er war grün lackiert, sah unauffällig aus und hatte – wie Tschocky feststellte – Platz für vier ›Anatomische Gegenstände‹.
    Tschocky hatte sie nach seinen Plänen von einem kleinen Schreiner in Essen arbeiten lassen. Eine massive Holzkiste mit Schraubdeckel, innen ausgeschlagen mit 200 mm Poresta, das keine Kälte hinaus- und keine Wärme hineinließ. Auf der letzten Station in Messina hatten Bob und Tschocky zehn große Frosterbeutel im Eisschrank steinhart frieren lassen und dann in die Kiste gelegt. Wenn die Kiste nicht geöffnet wurde, konnte die Kälte 24 Stunden in ihr erhalten bleiben.
    Langsam fuhren sie nun über den Felspfad. Bob Barreis saß am Steuer, Spezialist für verrückte Straßen. Er gab sich alle Mühe, den Steinbrocken auf dem Weg auszuweichen, aber nicht immer gelang das. Dann machte der Wagen einen Satz, die Federn kreischten, unter den Rädern spritzten die weggeschleuderten Steine in alle Richtungen.
    »Das ist die tollste Straße, die ich je gefahren bin!« schrie Bob, als der Wagen wieder einen Satz machte. »Dagegen ist eine Rallye ein Kinderwagenkorso …«
    »Aber am Ende des Weges liegt Mezzana!« Tschocky öffnete den Klemmverschluß einer Mineralwasserflasche und schüttete den Inhalt halb über Bobs Kopf. Das lauwarme, sprudelnde Wasser rann ihm über das Gesicht, in den weit geöffneten Hemdkragen, über die Brust. Die Hitze zwischen den kahlen Felswänden war fast unerträglich. Bob wunderte sich, daß das Blech der Autokarosserie nicht glühte, kein Lack abplatzte und der Gummi nicht von den Rädern schmolz.
    Nach einer Stunde sahen sie Mezzana. Einen weißen Steinhaufen unter dem Glatzkopffelsen, den ein Witzbold einmal Monte Christo getauft hatte. Ein paar jämmerliche braungrüne Weiden unterhalb des Dorfes waren die einzigen Farbtupfen in dieser gleißenden Einsamkeit. Sogar ein Bach durchzog das Tal, die einzige Lebensader von Mezzana, flüssige Nahrung, die als greifbares Rätsel aus dem kahlen Berg hervorsickerte, als rinne Speichel aus zusammengekniffenen Lippen. Hier, wo das Wasser seit Jahrhunderten gegen die Glut der Sonne kämpfte, lagen die Gärten, wuchs sogar Wein, gebar der heiße Boden Riesenfrüchte. Eine Oase in der Hölle. Heimat von über hundert Menschen.
    Bob Barreis bremste und wischte sich über das staubverklebte Gesicht. Tschocky brannte zwei Zigaretten an und steckte Bob eine zwischen die Lippen. »So etwas hast du noch nicht gesehen, was?« fragte er gemütlich. Bob sog gierig den Rauch ein und stieß ihn mit pfeifendem Atem wieder aus. Dann schüttelte er den Kopf. Die weiße

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