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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Teppich naß.«
    »Es wird noch vieles baden gehen, Doktor!« Haferkamps Stimme war sehr besorgt. »Bob ist weg aus Essen. Hat ein Attest einer Kapazität, das ihm nervöse Überempfindlichkeit bescheinigt …«
    »Wenn ich jetzt nicht im nassen Bademantel frieren würde, könnte ich lachen …«, sagte Dr. Dorlach.
    »Vier Wochen Schonung dazu … und weg ist er! Wohin, weiß keiner. Seine Sachen hat er bei Frau Czirnowski abgeholt und die Miete für ein halbes Jahr bezahlt. Ich habe sie gerade angerufen. Mit von der Herrenpartie ist der junge Tschocky. Kennen Sie den?«
    »Den Vater.«
    »Ein Trottel wie wir alle, die wir uns von der neuen Generation überrollen lassen. Er baut ein Imperium auf, und sein Sohn pinkelt ihm in jede Ecke. Er rackert bis zum Herzinfarkt, und das Früchtchen vom eigenen Stamm – schön formuliert, was, Doktor? – verstopft mit Geldscheinen die geöffneten Schöße! Auf jeden Fall … Bob und dieser Tschocky-Lümmel sind auf Achse. Es wird Ihre Aufgabe sein, Doktor, herauszufinden, wohin sie gezogen sind.«
    »Es ist bedauerlich.«
    »Was?«
    »Daß ich noch fünfzehn Jahre bis zur Pensionierung habe. Aber die Familie Barreis schafft es früher, bestimmt. Und wenn ich weiß, wo der junge Herr sich befindet, was dann?«
    »Dann schicke ich wieder Hellmut Hansen zu ihm. Ich rufe ihn gleich an.«
    »Sie sollten ihm einen roten Wagen schenken.«
    »Hellmut? Warum?«
    »Als Feuerwehr der Barreis-Familie …«
    »Baden macht Sie wohl witzig, was?« Haferkamp trommelte mit dem Bleistift auf die Tischplatte. Dr. Dorlach kannte das … Haferkamps Gehirn begann zu arbeiten. Obwohl er angeheiratet ist, dachte Dorlach, ist er doch ein vollkommener Barreis. Die ganze Familie ist vollauf damit beschäftigt, sich gegenseitig die Hölle auf Erden zu bauen. »Was, glauben Sie – das ist eine rhetorische Frage –, könnten die beiden unternehmen?«
    »Dolce vita an der Riviera, in Süditalien, Griechenland, Nordafrika … wenn's ganz dick kommt, in Acapulco oder auf den Bahamas.«
    »Bob hat kein Geld.«
    »Dafür Tschocky um so mehr. Man sagt, daß Tschocky aus einem mütterlichen Erbteil allein und ohne Aufsicht über dreißig Millionen verfügt. Er könnte also als fünfundzwanzigjähriger Mann bereits von den Zinsen leben. Genau wie Bob, wenn er sich einen guten Anwalt nimmt und sein Drittelerbteil von Herrn Barreis einklagt. Der Sperrvertrag des verstorbenen Barreis könnte mit juristischen Kniffen als sittenwidrig hingestellt werden …«
    Haferkamp hörte mit dem Bleistiftklopfen auf. »Hat Bob in dieser Richtung etwas verlauten lassen?«
    »Bisher noch nicht. Er hat sich mit dem Problem seiner Erbschaft nicht beschäftigt, solange er Geld genug hatte. Aber ich befürchte, daß die Freundschaft mit Tschocky –«
    »Um Himmels willen, Doktor!« Haferkamp sprang auf und riß das Telefon quer über den Tisch. »Wir müssen Bob aufspüren! Jetzt erst recht. Fahren Sie sofort nach Essen und lassen Sie recherchieren. An diesen Tag werden wir noch lange denken. Was haben wir heute eigentlich?«
    »Montag, den 5. Mai.« Dr. Dorlach schien wirklich durch Baden lustig zu werden. »Der Mai ist gekommen … Die Bäume schlagen aus …«
    Haferkamp knallte den Hörer auf die Gabel zurück und starrte an die getäfelte Decke.
    Was soll man tun, dachte er. Warum sind wir so hilflos? Warum entgleitet uns die neue Generation? Waren wir immer so unentschlossen? Wir haben die Inflation nach dem Ersten Weltkrieg durchgestanden, die wilden zwanziger Jahre, ja, und dann sind wir Parteigenossen geworden, haben die rechte Hand in den Himmel gestreckt und sind allem nachmarschiert, was uns vorausmarschierte … in die Rüstung, in den Zweiten Weltkrieg, nach Polen, Frankreich, Rußland, Afrika, vom Eismeer bis fast an den Nil, wir sind mitgetrottet, bis wirklich alles in Scherben fiel, und dann haben wir in die Hände gespuckt, haben die Trümmer weggeräumt, die Städte aufgebaut, wir haben uns durchgewühlt, bis man plötzlich von einem Wirtschaftswunder sprach, wir wurden fett an Leib und Seele, streckten die Beine und Arme von uns und rülpsten vor Sattheit unseren Nachbarn ins Gesicht. Und was da als unsere Erben heranwuchs, denen zeigten wir mit Stolz unser Werk und verstanden nicht, daß die Jungen sich an die Stirn tippten und uns mitleidig anlächelten. Liegt hier der Fehler? Dieser Stolz einer Generation, die erst alles in Trümmer schlug und dann alles wieder aufbaute? Diese Schizophrenie unseres Zeitalters,

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