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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sagte er an der Tür. Seine Augen glänzten wie lackiert.
    »Ein Weihnachtsgeschenk von Hellmut …« Eva lächelte trübe.
    »Benutzen Sie ein anderes Parfüm, wenn wir fahren«, sagte Bob. »Nicht wegen Hellmut … meinetwegen. Ich bin allergisch gegen Maiglöckchen. Vielleicht erzähle ich Ihnen diese Geschichte später … in einer anderen, besseren Stunde als heute.«
    Er beugte sich schnell vor und gab Eva einen Kuß auf die Wange, ehe sie ausweichen konnte. Dann sprang er die Treppen hinab, ohne sich noch einmal umzusehen, und verließ das Haus.
    Welch ein Schauspieler bin ich doch, dachte er auf der Straße. Vielleicht wäre das ein Beruf für mich gewesen, in dem ich hätte etwas leisten können. Ein Intrigant … wer spielt mir diese Rolle nach? An meiner Glätte rinnen ganze Wolkenbrüche ab … .
    Am Abend dieses Tages klingelte bei Theodor Haferkamp das Telefon. Er war – und das ist eine Seltenheit – in seiner einsamen Junggesellen-Villa am Rand von Vredenhausen und nicht im Barreis-Schloß. Er wollte einmal Ruhe haben. Die mütterlichen Klagen Mathildes, die Berichte Hansens von seiner erfolglosen Suche auf Sizilien, die Mahnungen von Dr. Dorlach, den alten Adams in eine Heilanstalt bringen zu lassen, denn unentwegt lag der durch den Tod seines Sohnes Lutz wie verwandelte Vater der Barreis-Familie auf der Seele, fragte immer und immer wieder: »Warum untersucht man nicht den Unfall, wie es sein soll?« Oder bombardierte Theo Haferkamp mit Briefen und Telefonaten. Haferkamp gab im stillen zu, daß der Autounfall in den Seealpen viele Merkwürdigkeiten aufwies, aber der Fall war von der französischen Polizei abgeschlossen und Bob als Unfallbeteiligter akzeptiert worden. Wie auch die wirkliche Wahrheit lauten mochte: Die Familienehre der Barreis' war unangetastet.
    Auch im Betrieb gab es Ärger. Die Zulieferer waren unpünktlich, und der Betriebsrat verlangte detaillierte Angaben über die Entnahme aus dem Gewinn, die Bob Barreis monatlich erhielt. Auf diesem Weg wollte Vredenhausen endlich wissen, wie hoch die Summe war, die der Playboy verjubelte und für die halb Vredenhausen morgens um sechs zur Arbeit fuhr.
    Ruhe, hatte sich Haferkamp zugeredet. Trink einen Kognak, setz dich gutbürgerlich vors Fernsehgerät, laß dich beschallen und bebildern – was gibt's denn heute, ach ja, den Lembke mit ›Was bin ich?‹ –, streck dich im Sessel aus und vergiß, daß du der Statthalter der Barreis' bist. Ein Kanzler. Vormund eines seichten Königs. Ein Schild, so weiß, wie ihn kein Weißmacher bleichen kann. Vergiß einmal alles für ein paar Stunden …
    Aber das Telefon klingelte, und als Haferkamp abhob, seufzte er tief und ergeben. Er hatte sich so vollkommen in sein Privatleben zurückgezogen, daß ihn die Stimme Bobs, woher sie auch kam, nicht mehr aus dem Sessel riß.
    »Mein armes, krankes Bübchen«, sagte Haferkamp und schielte auf das Fernsehbild. Lembke steckte gerade fünf Mark in das Sparschweinchen. Zu raten gab es einen Bruchsteinbehauer, und das Rateteam tastete wegen der Handbewegung in der Gegend eines Gynäkologen. »Wo liegst du im Bett? Blond oder schwarz?«
    »Weder noch, Onkelchen. Ich bin in Cannes.«
    »Nicht auf Sizilien?«
    »Dort war die Luft zu feuchtheiß.«
    »Witzbold! Weißt du, daß dich Hellmut in Sizilien sucht?«
    »Nein. Warum?«
    »Wieso bist du krank?«
    »Das soll Hellmut herausfinden? Es liegt doch ein Attest vor.«
    »Über eine seelische Störung! Wer das liest, bekommt einen Lachkrampf. Was hast du in Sizilien gemacht?«
    »Eine Firma gegründet.«
    »Eine was?« Theodor Haferkamp schaltete das Fernsehen aus. »Sag das noch einmal.«
    »Eine Firma zum Vertrieb anatomischer Anschauungsmittel.«
    Theo Haferkamp schnaubte laut durch die Nase. »Ist das eine neue Bezeichnung für einen Puff?«
    »Pfui, Onkel Theo!« Bob Barreis' Lachen klang hell durch das Telefon. Seine seelische Krankheit schien nicht tief zu sitzen. »Ich erzähle dir von unseren Handelsobjekten, wenn wir einen guten Tag zusammen haben. Mein Anruf hat nur den Sinn, dich nicht im unklaren zu lassen, wo ich bin.«
    »Eine noble Geste –«
    »Und grüß mir Mama. Weint sie wieder?«
    »Natürlich! Es ist erstaunlich, wo sie all die Flüssigkeit hernimmt. Bob!« Haferkamps Stimme wurde ernst und drängend. »Es wäre vergeudete Zeit, dich zu fragen, was du in Cannes machst. Ich bitte dich nur um eins: Mach keine neuen Dummheiten! Der Tod von Lutz ist noch lange nicht vergessen. Er klebt wie ein

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