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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Magen-Galle-Trakt und ein Dutzend andere Dinge mehr. Dazu braucht er Leichen. Um zu üben, um ein Artist des Skalpells zu werden, wie er sich ausdrückt. Leider sind seine Patienten aus den oberen Zehntausend, und die verkaufen ihren Körper nicht für Lehrzwecke, sondern legen ihn lieber in geschnitzte Mahagonisärge. Es herrscht also ein echter Wissensnotstand, dem wir abhelfen können. Ich habe mich verpflichtet, monatlich vier Leichen zu liefern. Der gute Doktor hat fast einen Sprung an die Decke gemacht.«
    Bob Barreis umklammerte sein eisgekühltes Glas. Die wenigen Tage in Cannes hatten ihn wieder verdorben. Sonnenschein, Mädchen, das Meer, ein französisches Bett, leise Musik, der Duft von Kamelien, das Rauschen des Windes in den Palmen – das alles war ein Zauber, dem er erlag, der zu ihm gehörte wie das morgendliche Zähneputzen, in den er hineingeboren worden war als ein Teil dieser sorglosen Bilderbuchwelt. Der Transport von Leichen quer durch Europa gehörte nicht zu den Glanzlichtern dieses Lebens.
    »Ich steige aus, Tschocky«, sagte Bob. »Noch diese eine Tour, das habe ich versprochen, aber dann ist Schluß. Du bekommst dein Geld wieder, und dann laß mich in Ruhe.«
    »Angst?« Tschocky schoß das Wort wie einen Haken zum Kinn ab. Er wußte, er traf Bob genau auf den Punkt. Barreis' Kopf zuckte hoch.
    »Ich kenne keine Angst!«
    »Hat dir jemand irgendwann in den letzten Tagen ein Glas voll Moralsaft verkauft?«
    »Ich habe andere Pläne, Tschocky.«
    »Eine Rallye würde ich so schnell nicht wieder fahren«, sagte Tschocky anzüglich.
    Bob überhörte diese Frechheit. »Ich werde mir einen Teil des väterlichen Erbes auszahlen lassen und eine Boutiquen-Kette gründen. Zehn Läden mit dem modischsten Tinnef, den man auftreiben kann. Und Marion setze ich als Geschäftsführerin ein.«
    »O Himmel. Sag bloß, du liebst sie wirklich.«
    »Verdammt, ich liebe sie.«
    »So richtig romantisch mit Brautkranz und Schleier?«
    Tschocky lachte. Bob sah ihn mißbilligend an. Das kleine Mädchen Marion Cimbal ließ ihn nicht mehr los. Das Barmädchen mit der aufregenden Figur und den traurigen Augen. Marion, die als erste und einzige von allen Frauen, die er besessen hatte, zu ihm gesagt hatte: Du bist anders als du bist. Das klang dumm … aber in Bob hatte es einen Ausdruck hinterlassen wie ein Veterinärstempel. Trichinenfrei. Bei Barreis hieß es: Komplexfrei. Das war ein Gefühl, das sich mit keinem anderen vergleichen ließ.
    »Wann fahren wir?« fragte Bob und schnitt damit alle Diskussionen über Marion Cimbal ab.
    »Morgen. Ich habe die Transportkiste übrigens umkonstruiert. Sie wird jetzt durch Batteriebetrieb gekühlt. Das Gerenne mit den Kühlbeuteln war ja furchtbar.« Tschocky erwartete Lob, man sah es seinen fordernden Augen an. Und Bob sagte gehorsam:
    »Du hast wirklich stramm gearbeitet, Tschocky. Und wann willst du deine Schocker-Bombe platzen lassen?«
    »Nach dem zehnten Transport. Ich werde der Presse ein Fotoalbum präsentieren, wie sie noch keins gesehen hat. Die Anonymität wird dabei der größte Knaller sein. Die Frage: Wer hat so etwas gemacht?, wird wochenlang Millionen beschäftigen! Man wird Sonderkommissionen bilden, Interpol, FBI, Spitzel der Unterwelt. Und man wird sich totlaufen, denn es wird keine Spur geben!«
    »Denkst du! Don Emilio in Mezzana –«
    »Er wird einen neuen Glockenturm bekommen.«
    »Ettore Laparesi.«
    »Ihm wird das Haus neu gebaut. Ich lasse mir den Spaß etwas kosten, Bob! Das Gefühl, eine ganze Welt in Aufregung zu versetzen …«
    Tschocky stierte verträumt in sein Glas. Seine Gedanken liefen weiter, rannten vor ihm her.
    Essen. Der alte Tschocky, Generaldirektor, Vorsitzender in sechs Aufsichtsräten, Mitglied in sechs weiteren Aufsichtsräten, Träger des Bundesverdienstkreuzes erster Klasse, Millionär, Repräsentant einer Wohlstandsgesellschaft, Beispiel eines Wirtschaftswunders, denn 1945 stand er im zerstörten Essen mit einem Pappkarton neben sich auf der Straße und weinte über das Ausmaß des deutschen Zusammenbruchs. Der alte Tschocky, mumifiziert vom eigenen Geld, leuchtendes Beispiel der Unternehmer, Gast in Bonner Ministerhäusern, Ohrgeflüster im Wirtschaftsministerium, Star-Lobbyist im Kanzleramt, in New York, Paris, London und Rom bekannt wie Liz Taylor oder Jackie Kennedy … dieser große Mann am Goldtaler kotzenden Wirtschaftshimmel würde klein und bleich und mit zitternden Beinen in seinem Ledersessel sitzen und seinen

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