Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Ansichten – politischen wie wirtschaftlichen – kritiklos recht: Der Dank war ein neuer Kirchturm und ein neuer Baldachin für die Fronleichnamsprozession.
    Er manipuliert alles, dachte Bob Barreis. Vredenhausen ist das souveräne ›Königreich Barreis‹. Welch ein Leben könnte ich führen, wenn zwischen mir und allen Möglichkeiten nicht Onkel Theodor stände?
    Aber er ist da. Dick, jovial, brutal, charmant, biestig, humorvoll, giftig … immer so, wie man ihn braucht. Selbst ihn umzubringen, hat keinen Sinn … er und der Geist des alten Barreis' haben mich für immer im Netz!
    Es war schon dunkel, als Bob aus dem Vredenhausener Bahnhof trat. Nur eine einsame Taxe wartete unter einer trüben Bogenlaterne. In Vredenhausen lohnten sich Taxis nicht … hier hatte jeder seinen kleinen Wagen. Die Barreis-Werke unterhielten eine besondere Kreditabteilung für Autokäufer. Auch hier regierte wieder die alleinige Ansicht von Theodor Haferkamp: »Ein Mensch mit Auto gehört zum neuen Menschheitsbild wie Wasser aus einem Wasserkran. Außerdem reagiert man im Auto Aggressionen ab. Meine Arbeiter sind die friedlichsten im Ruhrgebiet …«
    Der Taxifahrer schob den Kopf durch das offene Fenster. »Sie, Herr Barreis?« Es klang so ungläubig, als habe jemand in der Kirche statt Amen Prost gerufen.
    »Ja.« Bob trat an den schwarzen Wagen. »Ach, Sie sind's, Klemmer. Fahren Sie mich nach Hause.«
    »Wo ist denn Ihr Renner, wenn man fragen darf?«
    Bob stieg ein. »Sie dürfen. Er steht in Cannes.«
    »Wieder im Eimer?«
    »Kerngesund. Ich hatte mal Lust, mit der Bahn zu fahren. Ein irres Erlebnis, sag' ich Ihnen.« Bob lachte gepreßt. »Da guckt man aus dem Fenster und denkt: Jetzt Gas geben! Und was tut der Zug? Er hält.«
    Norbert Klemmer, der Taxifahrer, hütete sich, auf dieses Gespräch einzugehen. Der hat Schlagseite, dachte er. Man riecht zwar nichts, aber so irr kann nur einer reden, dem die Promille am Zäpfchen plätschern. Immer wieder erstaunlich, wie aufrecht dieser Barreis sich hält, auch wenn der Kanal überflutet ist.
    Das Barreis-Schloß war hell erleuchtet, als sie vor der Auffahrt hielten. Im großen Saal – eingerichtet im Stil der Renaissance mit einem Hauch englischer Würde und einem Kamin, der an einen altgriechischen Tempeleingang denken ließ – bewegten sich hinter den vorgezogenen Portieren viele Schatten. Die Parkplätze neben der breiten Freitreppe waren überfüllt. Nicht eine teure Marke fehlte, sogar drei Rolls-Royce mit ihren eckigen, konservativen Kühlerschnauzen standen wie zur Parade ausgerichtet unter den lackglänzenden Blechkisten. In einem flachen Nebengebäude saßen die Chauffeure um einen langen Tisch und tranken Fruchtsäfte, Cola und Tee. Bob sah sie durch die offenen Fenster.
    Onkel Theodor gab eine Party. Nicht aus Freude am gesellschaftlichen Leben, sondern um neue Geschäfte zu realisieren. Nach Hummercocktail, Austern in Chablis, Rebhuhn in Madeira mit Trüffeln und Morcheln, Pommes Dauphin und Spargelspitzen in Sahne, Coup Rothschild flambiert und Mokka à la Arabia zogen sich die Herren in den Rauchsalon zurück, griffen nach den Havannas – Portagas oder Romeo et Juliette –, versanken in den tiefen Ledersesseln und waren bereit, mit Theodor Haferkamp das Wirtschaftswunder zu erweitern. Bei diesen Gelegenheiten besprach man auch, neue Berichte in die Presse zu lancieren, daß die Aufträge rückläufig seien, die Zukunft zur Besorgnis Anlaß gäbe und neue Lohnverhandlungen unvermeidlich in eine ernste Krise führen würden.
    Auf der Treppe unter dem Säuleneingang erschien der Butler James. Er hieß eigentlich Egon, aber dieser Name wäre eine Entweihung des Butlerberufs gewesen. Theodor Haferkamp taufte ihn in James um, weil ein guter Diener nicht anders als James heißen kann, ließ ihm eine original altenglische Butler-Robe schneidern und setzte ihn bei solchen Gelegenheiten wie an diesem Abend ein. Sonst arbeitete Egon-James als Gärtner in der Junggesellen-Villa Haferkamps draußen in den idyllischen Moränenbergen bei Vredenhausen.
    »Der junge Herr!« sagte James gedehnt. Bei Partys bevorzugte er sogar einen englischen Zungenschlag. »Wir haben den jungen Herrn heute nicht erwartet.«
    »Muß ich in meinem eigenen Elternhaus erwartet werden?« sagte Bob Barreis grob. »Egon –« er nannte ihn aus Provokation so, »– geben Sie Norbert Klemmer zwanzig Mark. Er ist ein guter Fahrer.« Er blieb vor der breiten Doppeltür stehen, durch deren mit

Weitere Kostenlose Bücher