Ein Mann wie ein Vulkan: Intime Geschichten 2 (German Edition)
Punkte in der Dunkelheit, von den Sternen fast nicht zu unterscheiden. Sie lauschte auf Geräusche, doch außer einem sanften Klatschen der Wellen gegen die Felsen war nichts zu hören.
Nackt und mit noch feuchter Haut trat sie nach dem Duschen auf den Balkon. Wann kann man schon seinen Körper im Mondlicht trocknen und salben, dachte sie verträumt und massierte die duftende Körpermilch über ihre glatte, gebräunte Haut.
»...wo aber bleibt mein andrer Nachtgefährte?«, ergänzte sie die Zeilen des Gedichts.
Sie kannte den Text genau –, oft genug hatte ihre Großmutter ihn zitiert. Doch über einen Nachtgefährten hätte sie mit Augusta auf keinen Fall diskutieren wollen. Ihre Großmutter hatte ihn schließlich gefunden, ihren Nachtgefährten. Aber sie? Sophie holte tief Luft und stieß sie pfeifend wieder aus.
Nein, von einem anderen Nachtgefährten wollte sie im Augenblick nicht einmal träumen. Zu viel Arbeit stand bevor, ihre kleine Agentur sollte erst richtig in Schwung kommen und dazu war ihre ganze Kraft und Aufnahmebereitschaft nötig. Für einen Nachtgefährten würde sie gar keine Zeit haben und später – man würde ja sehen.
»Lüge dir doch nichts vor«, raunte eine innere Stimme, »du hängst noch immer an ihm!«
»Nein«, sagte Sophie laut. Und trotzig fügte sie hinzu: »Giovanni ist für mich gestorben.« Giovanni, der sie auf die Idee mit der Vermietung von italienischen Ferienhäusern gebracht hatte, der mit ihr durch Italien gereist war und ihr die schönsten Plätze gezeigt hatte und der es dann doch vorzog, seine langjährige Novia zu heiraten, nachdem ihnen bei ihrer letzten Aussprache das Missgeschick einer Schwangerschaft passiert war. Zwei Jahre war das nun schon her, und es tat immer noch weh.
War da ein Schatten auf dem Nachbarbalkon? Sophie hielt inne und versuchte durch die Milchglasscheibe etwas zu erkennen. Doch selbst, wenn dort jemand gewesen wäre, was hätte er schon gesehen? Eine nackte Frau von etwas über dreißig Jahren, die ihren hübschen Körper eincremt. Sophie lächelte, der Gedanke, beobachtet zu werden, war neu und erregte sie.
»Ein Schlückchen vertrage ich noch«, murmelte sie und schenkte sich von dem Limoncello ein, den ihr Augusta als Schlummertrunk empfohlen hatte. Sie war plötzlich überhaupt nicht mehr müde.
Immer wieder streiften ihre Blicke zum Nachbarbalkon. Doch als sie die Flasche fast leer getrunken und immer noch keinen Beobachter entdeckt hatte, legte sie sich auf das Bett, zog das Leintuch bis an das Kinn und war sofort eingeschlafen.
Nach dem Frühstück kletterte Sophie über die Felsen zu ihrem Lieblingsplatz auf einer der vorstehenden Klippen, von der sie mit einem Kopfsprung in das tintenblaue Wasser eintauchen konnte.
Als sie in die Albergo zurückkehrte, war Augusta gerade dabei, das Abendessen zuzubereiten.
»Wir essen heute allein!«, sagte Augusta zufrieden. »Die Gäste sind nach Genua gefahren, und der Poet isst auf seinem Zimmer. Er hockt den ganzen Tag über vor seinem Computer weil er ein Buch fertig machen muss, wie er sagte. Nachts geht er dann hin und wieder ans Meer und schwimmt, stell dir das vor! Mitten in der Nacht!«
Sophie hörte nur halb zu, sie war in Gedanken schon beim Texten für ihren neuen Katalog. Nachdem sie am nächsten Morgen in aller Frühe losfahren wollte, verabschiedete sie sich zeitig von Augusta.
Wieder stand der Mond hoch über dem Meer und überzog das Wasser der Bucht mit einem Funkeln, als ob die Hand eines Riesen unzählige Diamantsplitter darüber gestreut hätte. Das fordernde Klagen einer rolligen Katze wurde übertönt vom Geräusch des heranjagenden Intercity Rom-Genua. Die Erde schien zu erbeben. Ein langer Pfeifton klang wie ein Stöhnen, das der Zug kurz darauf mit in den Tunnel riss.
Die Luft war lau, Sophie schob das Bettuch zurück. Vom Wein zum Abendessen schläfrig geworden, beließ sie es bei einem letzten, langen Blick auf das glitzernde Meer.
Als sich das Mondlicht wie ein Schleier über ihren Körper breitete und ihre Haut silbrig schimmern ließ, war sie bereits fest eingeschlafen.
Das leise Geräusch vom Nachbarbalkon hörte sie nicht und sie registrierte auch den Körper nicht, der geräuschlos in ihr Zimmer huschte.
Sie träumte von einem kugelrunden Mond, dessen Strahlen bis in ihr Zimmer reichten. An deren Enden befanden sich kleine Händchen, so wie sie es auf den Bildern des ägyptischen Gottes Ra gesehen hatte. Und diese Händchen streichelten und
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