Ein Mann wie Mr Darcy
spielen also immer noch dieses Spiel. Einen Moment lang sehe ich ihn prüfend an. »Tun Sie das … äh … leben Sie davon?«, frage ich.
»Wovon?«, fragt er unschuldig.
Davon, amerikanischen Singles gegenüber so charmant und sexy zu sein, denke ich.
»Ich meine, sind Sie Schauspieler?«, sage ich stattdessen.
»Schauspieler?« Meine Frage scheint ihn zu überraschen.
»Aber nein.« Er lächelt belustigt. Ich lächle ebenfalls, auch wenn ich zugeben muss, dass ich nicht weiter weiß. Ich habe keine Ahnung, wie ich mich verhalten soll. Wenn er kein Schauspieler ist, was ist er dann?
Verzweifelt durchforste ich mein schwammiges Gehirn nach einer logischen Erklärung für all das. Erlaubt er sich einen Scherz mit mir? Springt er gleich auf und ruft: »Versteckte Kamera!«, oder wie auch immer die Sendung hier in England heißen mag.
Ich sehe mich um, aber alles ist ruhig und friedlich. Keine Menschenseele ist weit und breit. Nur ich und dieser gut aussehende englische Fremde.
Ein beängstigender Gedanke durchzuckt mich. Was ist, wenn er ein durchgeknallter Mörder ist, der sich Mr. Darcy nennt und leichtgläubigen jungen Frauen auflauert?
Vor meinem geistigen Auge sehe ich eine Zeitung auf mich zuwirbeln, wie in diesen alten Schwarzweißfilmen. »Tragischer Tod einer hoffnungslosen Romantikerin – getötet von ihrer Liebe zur Literatur«, prangt auf der Titelseite . »›Wir haben sie angefleht, mit uns nach Cancun zu kommen‹, sagt ihre enge Freundin Stella, erst seit Kurzem verlobt mit Scott, 29, Leiter einer Werbeagentur. ›Aber sie wollte ja unbedingt Mr. Darcy kennen lernen.‹«
Das reicht jetzt. Ich muss es einfach sagen.
»Hören Sie, was geht hier vor?«, platze ich heraus und sehe ihm in die Augen. Meine Güte, ich bin Amerikanerin. Wir lieben klare Worte.
Meine unverblümte Art scheint ihn zu schockieren. »Verzeihung, ich fürchte, ich verstehe nicht ganz, was Sie meinen.«
»Sie. Dass Sie hier auftauchen. In diesem Aufzug. Und behaupten, Sie wären Mr. Darcy«, fahre ich mutiger fort. »Wenn Sie kein Schauspieler sind, was dann?«
»Mr. Darcy«, erwidert er nur.
Ich sehe ihn einen Moment lang an und versuche vergeblich, aus ihm schlau zu werden. Dieser Typ gefällt mir, aber genug ist genug. »Es tut mir leid, aber das ist unmöglich.«
»Wie kann das unmöglich sein?«
»Weil Sie nicht existieren«, sage ich schlicht. »Leider«, füge ich wehmütig hinzu.
»Wären Sie dann wohl so freundlich und würden mir erklären, wie ich hier neben Ihnen sitzen kann? Wollen Sie etwa andeuten, ich sei ein Geist? Eine Ausgeburt Ihrer Fantasie?«, antwortet er amüsiert.
Nun, da er es sagt, kommt es auch mir ein bisschen weit hergeholt vor.
Obwohl … Weiter hergeholt als seine Behauptung, er sei Mr. Darcy?
»Falls Sie das tröstet – ich finde Ihre Gegenwart ebenfalls etwas beunruhigend«, gesteht er, beugt sich vor, stützt die Ellbogen auf die Knie und fährt sich mit den Fingern durchs Haar. »Und auch ich bin verwirrt darüber, dass sich unsere Wege ständig kreuzen.«
Ich werfe einen Blick auf seine zusammengekauerte Gestalt, während mich unvermittelt ein Gefühl der Zuneigung durchströmt. »Nicht so verwirrt wie ich«, erwidere ich.
»Nach unserer Begegnung gestern im Salon habe ich mich gefragt, ob ich Sie mir nur eingebildet habe.«
»Das ging mir genauso.« Ich nicke eifrig.
»Es schien, als seien Sie förmlich aus dem Nichts aufgetaucht und hätten sich ebenso schnell wieder in Luft aufgelöst.«
»Ganz genau«, bestätige ich. Eine Welle der Erleichterung durchströmt mich. Also drehe ich nicht durch. Offensichtlich gibt es eine rationale Erklärung für all das.
Aber welche?
Eine Weile sitzen wir da. Keiner von uns sagt ein Wort, während die unausgesprochenen Fragen um uns herumwirbeln. Wie? Warum? Wer? Ich schließe die Augen. All diese Fragen machen mich ganz wirr.
»Ich habe mich wirklich gefragt, ob ich Sie mir vielleicht nur eingebildet habe.«
Als ich seine leise, beherrschte Stimme höre, öffne ich die Augen und bemerke, dass er mich ansieht, als könnte er es selbst kaum glauben. Er lehnt sich zurück und verschränkt die Arme. »Ich muss gestehen, Miss Emily, dass alles an Ihnen, von Ihrer Kleidung bis hin zu Ihrer Sprechweise und Ihrem Benehmen mit nichts zu vergleichen ist, was ich jemals erlebt habe.«
»Ich könnte dasselbe über Sie sagen.« Ich lächle ihn schüchtern an.
Außerdem passiert ganz eindeutig etwas zwischen uns. Und das bilde ich mir
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