Ein Mann wie Mr Darcy
ganz eindeutig nicht ein.
»Tatsächlich?«, will er wissen, ohne den Blick von mir zu wenden.
»Absolut.« Ich werde leicht nervös. Flirtet er mit mir? Mein Magen zieht sich zusammen. Mann, das ist so verrückt, dass ich das Gefühl habe, mich kneifen zu müssen.
Ich tue es.
Nein, er ist immer noch da. Auf der Bank. Neben mir. Flirtet.
Ich registriere, wie der Mann meiner Träume den Kopf hebt, und sehe ihn an. Unsere Blicke begegnen sich, und eine Sekunde lang sehen wir einander einfach nur an. Doch in Wahrheit ist es viel länger. Es fühlt sich an, als hätte jemand das Tempo um mich herum verlangsamt, in Zeitlupe versetzt, damit es ein wenig länger andauert. Lange genug, um es bedeutungsvoll erscheinen zu lassen. Lange genug, damit sich das Kribbeln seinen Weg hinauf bis zum Nacken bahnen kann …
»Was treibt Sie hierher nach Winchester?«, frage ich, teils aus Neugier, aber auch, um dem Gespräch wenigstens wieder den Anschein von Normalität zu verleihen. So gern ich hier mit einem gut aussehenden Fremden sitze, muss ich doch zumindest versuchen, die Situation wieder in den Griff zu bekommen.
»Ich bin mit guten Freunden hergekommen, die von den bunten Glasfenstern begeistert sind. Aber ich fürchte, sie interessieren mich nicht besonders, deshalb habe ich beschlossen, nach draußen zu gehen. Eigentlich hatte ich vor, meine Zeitung zu lesen …«
Er wedelt damit in meine Richtung, als wollte er beweisen, dass er mich tatsächlich nicht verfolgt, als mein Blick an etwas hängenbleibt.
Was zum -
Schwarz auf weiß steht es in der Ecke der Zeitung: das Datum. Nur, dass statt dem 29. Dezember 2005 dort der 29. Dezember 1813 steht. Ich sehe genauer hin, reibe mir die Augen und sehe ein weiteres Mal hin.
»Da ist ein Druckfehler im Datum.«
»Sie scheinen es sich zur Gewohnheit gemacht zu haben, nie etwas zu glauben. Zuerst mir nicht, dann der Times of London nicht«, spottet er, und seine dunklen Augen blitzen.
»Aber es ist falsch...«, protestiere ich, nehme ihm die Zeitung aus der Hand und überfliege die Überschriften. Moment mal, es ist nicht nur das Datum, auch alle diese Artikel scheinen nicht richtig zu sein. Wie es aussieht, beziehen sie sich auf Ereignisse, die längst Geschichte sind. Als wäre diese Zeitung wirklich knapp 200 Jahre alt. Das ergibt doch einfach keinen Sinn. Es sei denn …
Vor meinen Augen beginnt sich alles zu drehen, und ich blicke zu dem Mann auf, der neben mir sitzt, mustere seine glänzenden Reitstiefel und die engen, schwarzen Reithosen, seinen Frack, die Taschenuhr an seiner Weste, seinen weißen, gestärkten Hemdkragen und sein Halstuch, die Spalte in seinem Kinn … Ich denke an das Szenario im Museum: sein Auftauchen im Salon, das Feuer im Kamin, die Tapeten, die Förmlichkeit, mit der er sich mir vorgestellt hat, das plötzlich fehlende Absperrseil …
Die Bilder vermischen sich, werden aus ihrer Reihenfolge gerissen, während ich versuche, mich an alles zu erinnern. Der Brief an seine Schwester, diese Zeitung aus dem Jahr 1813, sein plötzliches Verschwinden, als Spike in den Salon kam, und sein neuerliches Auftauchen, scheinbar aus dem Nichts … Ich sehe mich auf dem menschenleeren Rasen um. Es ist nie jemand in der Nähe, wenn er hier ist, außer mir …
Es könnte alles ein raffinierter Trick sein, aber – ich hole tief Luft, um mich für das zu wappnen, was folgt -, aber was, wenn ich die Vorstellung zulasse, dass es das nicht ist? Ich halte inne, weiß, dass ich kurz davorstehe, das Undenkbare zu denken.Was, wenn er tatsächlich derjenige ist, der zu sein er behauptet?
Wenn er wirklich Mr. Darcy ist?
»Sie zittern ja. Möchten Sie meinen Schal?«
Ich kehre ins Hier und Jetzt zurück und sehe, wie er den Seidenschal um seinen Hals löst. Ich nicke nur stumm. Es muss eine rationale Erklärung geben, auch wenn mir keine einfällt. Und der Teil von mir, der in Mr. Darcy verliebt ist und das letzte Jahr damit verbracht hat, von einer Katastrophenverabredung in die nächste zu stolpern, will auch gar nicht, dass es eine gibt.
Als er sich wortlos hinüberbeugt und mir vorsichtig seinen Schal um die Schultern legt, halte ich den Atem an. Nichts von all dem ergibt einen Sinn. Aber was wäre, wenn die Dinge manchmal gar keinen Sinn ergeben müssten? Bloß weil man etwas nicht erklären kann, heißt das noch lange nicht, dass es nicht real ist.Wie UFOs oder Geister oder Kornkreise … oder eine zum Leben erwachte Figur aus einem Buch.
Emily, hör auf
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