Ein Mann will nach oben
geredet!« Er sah den Jungen vergnügt an. »Na, sag selbst, was du geben willst. Bist doch ein anständiger Kerl! Frollein, schreiben Sie auf, was er sagt.«
Dieser Appell machte Karl Siebrecht weich. »Fünfzehn Mark das Gespann und dreißig Prozent«, sagte er.
Wagenseil stieß ein Gebrüll aus. »Wenn Sie das schreiben, Frollein, fliegen Sie achtkantig durch die Scheiben!« Er wandte sich an Karl Siebrecht. »Ich habe gedacht, du bist ein anständiger Kerl!« schrie er. »Aber nun ist Schluß! Du bist genauso ein Betrüger –«
»Wie du!« lachte der Junge.
Nach fünf weiteren Minuten einigten sie sich auf siebzehn Mark und 33¼ 3 Prozent. So wurde es aufgeschrieben und von beiden unterzeichnet.
»Und nun kopieren Sie das gleich, Frollein«, sagte Herr Wagenseil. »Das Original kriegt mein Partner, und die Kopie trennen Sie mir vorsichtig aus dem Kopierbuch –«
»Sie wissen gut, ich darf nichts aus dem Kopierbuch trennen«, widersprach das Fräulein. »Sie kriegen wieder Stänkerei mit dem Revisor, Herr Wagenseil!«
»Halt’s Maul und trenn raus!« sagte der Fuhrherr kurz. »Ich will es mir rahmen lassen; wenn ich die ersten Hunderttausend zusammen habe, laß ich es mir rahmen! Gott, Junge, habe ich dich angeschissen! Ich hätte es natürlich auch für zehn und fünfundzwanzig gemacht!«
»Das nächste Mal werde ich dich schon anschmieren, Franz!« sagte Karl Siebrecht.
»Das erlebst du nicht!« lachte Wagenseil. »Du nicht! – Na, und nun komm, Karl, ich habe noch einen Umzug für kleine Leute zu machen, die warten schon drei Stunden auf mich. Verdient wird nichts dabei, aber immer kann man ja auch nicht nee sagen. – Ich will doch mal sehen, ob du überhaupt mit Pferden fahren kannst!«
»Ich habe bei uns zu Haus sogar Heufuder von der Wiese gefahren!«
»Allerhand! Aber in der Stadt ist doch ein anderes Fahren. Laß deine feinen Klamotten hier, zieh meinen Lederanzug an! Feines Wetter für einen Lederanzug heute, du wirst schwitzen! – Willst du wohl wegkucken, olle Zicke! So was möchtste, einen jungen Mann in Unterhosen sehen!«
»Sie haben ja oft nicht mal Unterhosen an, wenn Sie sich umziehen, Herr Wagenseil!« antwortete das Fräulein spitz.
»Kieke da, das hat sie also doch gemerkt!« wunderte sich Wagenseil. »Was so ein jungfräuliches Gemüt alles sieht und sich merkt. Ich muß mich doch sehr wundern, Frollein …«
»Ich wundere mich bei Ihnen überhaupt nicht mehr«, antwortete die Dame und drehte die Kopierpresse fest.
31. Auszug von Rieke
In bester Stimmung ging Karl Siebrecht von Wagenseil zu dem Schildermaler. Er hatte dem Franz bewiesen, daß er nicht nur mit Pferden fahren, sondern auch bei einem Umzug anpacken konnte. Und diese gute Stimmung hielt auch an, als er beim Schildermaler eintraf. Das Schild war fertig. Es sah genauso aus, wie er es haben wollte für den Anfang: nicht zu groß und auffallend, aber deutlich und sachlich. »Sieht gut aus«, meinte er: »Wie gefällt es Ihnen denn, Meister?« Er sah das Schild fast verliebt an: kaum ein halbes Jahr war er in Berlin, und es gab schon ein Firmenschild mit seinem Namen.
»Es ist ein Schild, wie ein Schild eben ist«, meinte der Maler philosophisch. »Wer bist du denn: der Siebrecht oder der Flau?«
»Ich bin der Siebrecht, Meister.«
»Na ja. Denn paß man gut uff den Flau uff; es jibt ville, denen am Ende von so wat flau jeworden is!«
»Ich hole das Schild dann morgen vormittag. Guten Abend. Meister.«
Es war der erste Schatten wieder auf seinem Glück. In den letzten Stunden hatte er fast ganz vergessen, daß es Schatten gab, viele Schatten, und daß noch nichts erreicht war, gar nichts, fast weniger als nichts, daß viel verdorben war. Langsam ging er nach Haus. Fast langsamer noch stieg er die Treppen zu der Buschschen Wohnung hinauf. Er sagte: »’n Abend«, und die sagten wieder »’n Abend«, und dann war es still. Sie hatten miteinander geredet, und nun er eingetreten war, waren sie still. So war es also jetzt.
Sie waren alle vier im Zimmer: der alte Busch, Rieke, Kalli und die kleine Tilda. Nun waren fünf im Zimmer, aber durch den fünften waren die vier still geworden. So war das also jetzt. Dann fragte Rieke: »Wülste dein Essen jleich, Karl?«
»Danke«, antwortete er. »Ich will erst mein gutes Zeug ausziehen.«
Sonst hätte sie gefragt, warum er sein gutes Zeug anhatte, aber heute sagte sie nur: »Schön.«
Einen Augenblick stand er noch unentschlossen, da sagte Kalli Flau: »Ich gehe
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