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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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hätte es so gerne herausgenommen und ihr hingelegt! Dann war er frei von Zwang und Bindung und Druck und schlechtem Gewissen … Aber, sprach es in ihm, dann habe ich nur noch fünfunddreißig Mark. Und Wagenseil hat gesagt, wenn es schiefgeht, werde ich nicht einmal sein Kutscher, und in drei Tagen schaffe ich es nicht!
    Unterdes hatte Rieke Busch gesagt: »Wat redste bloß von Kalli? Der is doch nich zwischen uns jekommen! Einen bessern Freund kriegste nie im Leben!«
    »Ja, ein feiner Freund, der mich um eine rote Mütze verrät!«
    »Mit dir is nich zu reden, Karle!« sagte Rieke. »Na, mach, wat de willst, und sei, wie de mußt, ick wer kein Wort mehr saren, und der Kalli ooch nich. Valleicht besinnste dir wieder, det wäre jut, wenn’s bald wär.« Und sie wandte sich fort, ging ans Fenster, öffnete es und sah hinaus.
    Längst war die Sonne hinter den Häuserdächern verschwunden, längst war das Dämmern über die große Stadt gekommen. In den Höfen und auf den Straßen brannten nun wohl schon lange die Laternen. Aber hier oben sah man nichts davon: es war fast dunkel in der Küche. Und ebenso dunkel sah es in Karl Siebrecht aus. Hin und her gerissen stand er am Küchentisch und wußte nicht, was er tun sollte. Noch am Morgen wäre alles ganz einfach gewesen, eine leichte Frage »Macht ihr mit?« – ein »Ja« – und alles war erledigt. Aber er hatte sie überraschen wollen, und nun war eine Überraschung nach der anderen für ihn gekommen: Die unselige Unterredung mit den Dienstmännern. Der erste Streit mit Kalli. Kalli, Kiesow und die rote Mütze und der zweite Streit. Das wucherische Angebot des Tischendorf. Die Abmachungen mit Wagenseil, nach denen es kein Zurück mehr gab. Und nun stand er hier und wußte, er mußte immer weiter, vielleicht für immer von diesen fort, den einzigen Menschen, die er mochte … Und mußte doch weiter … Es hatte ihn sachte angerührt, als er sich klargeworden war, daß sein Werk viele Dienstmänner ums Brot bringen würde. Und es faßte ihn jetzt viel stärker, als er sah, daß ihm dies Werk vielleicht die neu gewonnene Schwester und den Freund nehmen würde … Die Eroberung von Berlin – wie oft hatte er davon geträumt! Aber in all seinen Träumen hatte er wohl an Entbehrungen, Kampf, Feinde gedacht, nie aber hatte er daran gedacht, daß er mit seinen Freunden würde kämpfen müssen, ja, gegen sich selbst. So also wurde man Eroberer, indem man zuerst alles Weiche in sich selbst bekämpfte! »Rieke«, sagte er. »Versteh doch, ich muß es tun.«
    »Det vasteh ick schon lange«, sagte sie, aber müde, ohne Streitsucht.
    Und wieder fing er an: »Rieke, sieh es ein, es wird hier nicht gehen, so zusammen zu hausen mit Kalli.«
    »Ich schicke Kalli’n nich weg, ick nich. Wenn du die Kurage hast, ick wer nischt dagegen saren!«
    »Ich habe gedacht«, fuhr er fort, »meine Schlafstelle bei der Brommen ist doch noch frei – wenn ich da rüberziehen würde? Vorläufig nur.«
    Sie sah immer aus dem Fenster. »Det mußte machen, wie de denkst, Karle«, sagte sie. »Aba vajiß nich: wegziehn is leicht, zurückziehn is schwer, for dir bestimmt.«
    Sie schwieg, und er schwieg auch. Dann gab er sich einen Stoß, er faßte den letzten entscheidenden Entschluß. »Dann ist das noch mit dem Geld, Rieke. Ich möchte es doch lieber zurückgeben. Du bekommst dreißig und Kalli Flau fünfunddreißig Mark.«
    »Lej et hin«, rief sie ungeduldig. »Lej et hier uff den Küchentisch! Sei bloß nich so umständlich! Wat mir det schon interessiert! Du willst weg von uns, na, denn jeh! Aba valang nich, det ick dir noch loben soll deswejen!« – Er mußte die Gasflamme in der Küche anstecken, um das Geld abzuzählen. Nun lag es auf dem Tisch, fünfundsechzig Mark lagen dort, kostbares Geld, unbedingt notwendiges Geld. Geld, durch dessen Fehlen sein Unternehmen wohl scheitern würde, aber es mußte sein. Nur ich allein, dachte er. Nur aus eigener Kraft! – »Det mit dem Jeld stimmt nich«, sagte Rieke halblaut. »Det weeßte selbst janz jut. Det meiste von de Maschine hast du bezahlt, wenn wa ooch nen Strich machen durch det, wat Vata wegjejurgelt hat. Det is dein Jeld, wat da liegt.«
    »Es ist mir lieber so, Rieke«, sagte er. Er hatte seinen Korb aus der Kammer geholt und fing an, seine Sachen zu packen. Er war jetzt ganz ruhig und entschlossen.
    »Wie ick imma jesagt habe, schenken magste, aba jeschenkt kriegen, da biste zu fein dazu. Und det is nich mal jeschenkt. Reicht denn nu dein

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