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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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zurückdrängten.
    »Nanana«, sagte Karl Siebrecht friedlich, »was haben dir denn meine Pferde getan, Kupinski?«
    »Eine Unverschämtheit, uns den Platz wegzunehmen!« schimpfte Kupinski.
    »Zieh deine Karre ein bißchen vor. Die Gäule können so nicht stehen.«
    »Meine Karre bleibt, wo sie steht!«
    »Dann ziehe ich sie vor!«
    »Wenn du meine Karre anrührst, schlage ich dir alle Knochen im Leibe kaputt!«
    »Gut«, sagte Karl Siebrecht nach kurzem Überlegen, »dann gehe ich zum Schutzmann. Ich habe von ihm die Erlaubnis, hier zu halten!«
    »Was der schon zu erlauben hat!« knurrte Kupinski, aber unsicher war er doch geworden.
    »Sei schon vernünftig, Kupinski«, sagte Karl Siebrechtüberredend. »Du hast Platz genug, wo die anderen Karren stehen.«
    Zugleich aber knuffte er das Handpferd in die Seite, der Gaul prellte vor und stieß rumpelnd gegen die Karre. Damit verlor Siebrecht wieder, was er durch seine Besonnenheit gewonnen hatte, denn aufbrausend rief Kupinski: »Sollen jetzt deine verdammten Gäule unsere Karren zertrampeln dürfen?« Und er streifte die Ärmel hoch zum Zeichen, daß eine gütliche Einigung nicht mehr möglich war.
    In diesem Augenblick rettete Kalli Flau die Lage. Wie gestern kam er aus dem Seitenportal, mit Koffern beladen, und rief: »Wo bleibt ihr denn? Der Warnemünder Zug ist drin!«
    Sofort zerstreuten sich die Dienstmänner, die bis dahin dem Streit zwischen Karl Siebrecht und Kupinski gespannt zugeschaut hatten. Auch Kupinski nahm seine Karre, fluchte noch, aber schon halb unterwegs: »Das bleibt dir nicht geschenkt!« und stieß den Karren zu denen der Kollegen.
    Dort lud Kalli mit dem alten Küraß Gepäck auf. Er hatte eine ganze Wucht, viel zuviel für einen Mann und einen Opa, wahrscheinlich von drei oder vier Reisenden. Unwillkürlich fing Karl Siebrecht an zu rechnen: Das Gepäck schätzte er auf vier Mark achtzig, das waren zwei Mark vierzig für ihn – das half schon weiter! Kalli Flau hielt beim Aufladen den Kopf gesenkt, er sah nicht hin zu dem Rollwagen seines ehemaligen Freundes. Um so eifriger schaute und redete der alte Küraß. Mit der schamlosen Neugierde des Alters schien er nicht müde zu werden, über Siebrecht zu schwätzen. Schließlich schien er gar willens, zu ihm hinüberzugehen, ein scharfer Ruf Kallis brachte ihn zurück. Kalli legte sich in den Gurt, schwächlich schob der Opa nach, und die Gepäckfuhre verschwand rumpelnd der Invalidenstraße zu …
    Karren auf Karren folgte, und da Karl Siebrecht einmal beim Rechnen war, so blieb er dabei. Er berechnete Fuhre auf Fuhre und kam zu dem Ergebnis, daß dieser eine Zug ihm an die zwanzig Mark eingebracht hätte! Und immer wieder sagte er sich: Ich habe ja nie damit gerechnet, daß sie schon am erstenTage nachgeben! Doch erfüllte zornige Trauer sein Herz: es war sein Geld, das dort fortfuhr, sein Plan, der zerstört wurde. Klar war, daß alle Dienstmänner gegen ihn im Bunde waren, auch die Gleichgültigen, selbst jene, die sonst immer gegen den Kopf der Mehrheit handelten. Aber warum kam Tischendorf nicht? Von Tischendorf und seinen Haifischen hatte sich auch nicht einer sehen lassen. Freilich operierten die am liebsten in der Haupthalle, die mit ihren zwei Ausgängen bessere Fluchtgelegenheiten bot. Siebrecht sah sich um. Es war jetzt still um den Bahnhof geworden, die Flut der Reisenden hatte sich verlaufen. Die Pferde standen ruhig, sachte schlugen sie mit den Schwänzen nach den ersten Fliegen, die von der Wärme hervorgelockt waren. Kein Dienstmann war zu sehen, alle Karren waren fortgefahren. Karl Siebrecht trat in den Bahnhof. An der Gepäckausgabe standen noch ein paar Reisende, aber nur Frauen und Mädchen, meist ohne Hut, die wohl nur ihre Handkoffer holten. Die waren kein Geschäft für ihn. Er stieg die Treppe zu den Bahnsteigen hinauf und sah sich dort um. Aber auch hier oben war keiner von Tischendorf und seiner Bande zu sehen. Dafür begegnete er einem grünjackigen kleinen Mann mit O-Beinen und einem langen traurigen Gesicht, das Siebrecht immer an einen geschnitzten Pfeifenkopf erinnerte. Der Mann hatte ihm ein paarmal Kundschaft zugeschanzt, er war in seiner Art kein unfreundlicher Mann. »Tag, Herr Beese!« sagte Karl Siebrecht.
    Der Mann betrachtete ihn. »Quatsch lieber nicht mit mir!« sagte er schließlich, aber doch nicht so unfreundlich, daß das Gespräch dadurch völlig abgebrochen wurde.
    »Warum soll ich nicht mit Ihnen reden?« fragte Karl Siebrecht. »Ich habe Ihnen

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