Ein Mann will nach oben
doch nichts getan. Sie haben mir ein paarmal Gepäck verschafft, Herr Beese, und da wollte ich fragen –«
»Frag mich lieber nichts!«
»Ich habe da nun diesen Rollwagen, Herr Beese. Sie werden schon davon gehört haben …«
Der Mann betrachtete ihn düster. »Ich habe ein bißchenzuviel von dir gehört, mein Junge«, sagte er dann. »Ich habe die Neese voll von solchen, wie du bist.«
»Was ist Ihnen von mir gesagt worden? Sagen Sie es mir, Herr Beese. Ich gebe Ihnen mein Wort, ich werde Ihnen sagen, ob es wahr ist oder nicht –«
Der Mann hatte sich schon zum Gehen gewendet. Jetzt blieb er stehen und sah den Jungen mit seinem langen traurigen Gesicht schweigend an.
»Hören Sie zu, Herr Beese! Ich fange etwas Neues an, das gerade den Gepäckträgern am meisten zugute kommt. Ich gebe Ihnen für alles Gepäck, das Sie mir für den Anhalter bringen, die Hälfte von der Taxe! Sie brauchen es mir nur auf den Wagen zu setzen.«
»Alles schön und gut …« fing der Mann an.
»Aber …« fuhr Karl Siebrecht fort, »aber ich muß wissen, was hier über mich geredet wird. Ich habe all mein bißchen Geld in diese Geschichte gesteckt, und ich bin erledigt, wenn irgendein Lump Lügengeschichten von mir erzählt. Das ist doch klar?«
»Verstehe ich, aber –«
»Daß die Dienstmänner gegen mich sind, nehme ich ihnen gar nicht übel. Sie denken, ich nehme ihnen ihr Brot weg, weil sie bisher diese Fuhren gemacht haben. Aber warum seid Ihr Gepäckträger gegen mich? Ihr könnt durch mich doch nur verdienen?!«
»Was du sagst, klingt ehrlich«, sagte Herr Beese. »Und nun wollen wir kein langes Kokolores machen, sieh mir gerade in die Augen und dann sage mir: ist das wahr, Junge, oder ist das nicht wahr, daß du gestern auf dem Lehrter mit unserer Jacke und Mütze auf dem Bahnsteig erwischt worden bist?«
»Das ist erstunken und erlogen!« schrie der Junge wütend. »Nie habe ich so etwas gemacht! Sagen Sie mir den Mann, der Ihnen das erzählt hat, und vor Ihren Augen will ich ihn zur Rede stellen! Ich will mit ihm auf das nächste Polizeirevier gehen und ihn als Verleumder anzeigen! Sagen Sie mir den Namen!«
»Das nun nicht«, entgegnete der traurige Langköpfige. »Ich will mich nicht mit den Leuten hier auf dem Bahnhof veruneinigen. Ich habe Unfrieden genug zu Hause, verstehst du – wo muß der Mensch seine Ruhe haben.«
»Ich weiß auch so, wer das gesagt hat. Der Kiesow hat es gesagt! Der hat uns gestern am Neuen Tor mit seiner Karre angerempelt. Dafür hat er vom Blauen was auf den Deckel gekriegt, und nun will er sich rächen.«
»Ich habe keinen Namen genannt«, sagte Herr Beese. »Das leiste ich mir nicht. Wenn du den Mann vor Polizei und Gericht ziehen willst, ich weiß von nichts. Aber ich glaube dir, und darum will ich auch was für dich tun. Ich will mit den Kollegen reden.«
»Schönen Dank, Herr Beese!«
»Nichts zu danken, warte erst ab, ob die auf mich hören. Und dann, da sitzt so ein verrückter Ausländer seit einer halben Stunde im Wartesaal Erster, der hat sicher seine fünf Zentner Koffer mit, und der Mann will partuh mit seinen fünf Zentnern zusammen nach dem Anhalter fahren, und keine Gepäckdroschke, die groß genug ist – was meinst du, was müßtest du dafür haben?«
»Zehn Mark bestimmt, Herr Beese!«
»Für dich allein?«
»Nein, fünf Mark für Sie und fünf Mark für mich!«
»Quatsch! Acht Mark für jeden! Sechzehn Mark werde ich dem Pinsel abknöppen! Und laß dir am Anhalter ein ordentliches Trinkgeld geben, das sage ich dir!«
Sie stocherten den langen rothaarigen Ausländer im Wartesaal auf, sie zogen mit ihm zur Gepäckausgabe – und dabei stürmte und jubelte es in des Jungen Brust, stürmte, weil der Kiesow ihn so gemein verleumdet hatte, und es jubelte, weil er heute doch schon eine Fuhre bekam, und was für eine! Und daß der Gepäckträger Beese mit den anderen reden wollte! Er schaffte es also doch! Sie holten die schweren Schrankkoffer aus der Tiefe der Gepäckausgabe – der Rothaarige stelzte dabei immer stumm hinter ihnen drein –, siezogen und preßten und schoben sie gegen den Ausgang, sie brachten die Koffer auf den Bahnhofsplatz. »Nun hol mal den Wagen ran«, sagte Herr Beese. Aber Siebrecht hörte ihn nicht. Er stand und starrte. Er starrte auf den Fleck, wo sein Wagen gestanden hatte. Aber da war nur Pflaster, leeres Pflaster, sein Wagen war weg! »Wo hast du denn deinen Wagen?« drängte der Gepäckträger. »Du mußt doch wissen, wo du deinen
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