Ein Mann will nach oben
mir?«
»Mein Anteil am Fuhrlohn«, verlangte Siebrecht. »Aus Freundschaft für dich kann ich vorläufig noch nicht fahren, Kiesow!«
Der Mann murrte und murmelte, aber er suchte in seinem Portemonnaie: »Da!« sagte er dann mürrisch. »Einen Groschen kriege ich zurück.«
Der Junge gab ihn. »Da, Kiesow! Nun sind wir glatt.«
»Nee, glatt sind wir nicht«, sagte der Mann finster und faßte nach der Brüsche unter der Mütze. »Das kann nun keiner behaupten!«
»Nein, so glatt sind wir nicht«, lachte Karl Siebrecht und stieg auf den Bock. »Denn wenn du dich wieder auf dem Stettiner sehen läßt, fängt’s von frischem an!« Er fuhr los. Er fuhr im schlanken Trab bis zum Stettiner: Es war noch ein paar Minuten vor zwölf, als er dort anlangte. Ein paar Dienstmänner standen da. Er nahm die Koffer vom Wagen, lief in den Bahnhof. Im Vorbeigehn sagte er zu den Dienstmännern: »Die Koffer habe ich von Kiesow!« Ihren Gesichtern sah er an, daß sie ihm nicht glaubten.
Als er zurückkam, vertrat ihm Kupinski den Weg. Drohend sagte er: »Du, hör mal, gib uns unsern Taler wieder!«
»Euren Taler? Den hab ich mir redlich verdient! Ich sollte wegfahren, und ich bin weggefahren.«
»Du solltest aber ganz wegfahren.«
»Ich bin auch ganz weggefahren. Es ist nichts von mir hiergeblieben! Oder?«
»Ich meine –« Es wurde Kupinski schwer, auszudrücken, was er meinte. »Du solltest für immer wegfahren!«
»Für immer? Davon hat der Opa nichts gesagt. Ich sollte wegfahren, und das habe ich getan. Damit habe ich den Taler verdient!«
»Wir wollen unsern Taler zurück! Du hast uns angeschissen!
»Nein, das habe ich nicht! Aber ihr wolltet mich verhohnepiepeln, und dabei seid ihr reingefallen. Das kostet euch nun einen Taler.« Sie sahen ihn schweigend an. Nicht auf allen Gesichtern war Unwille zu lesen. Manche schienen selbst zu finden,es sei so ganz richtig. Siebrecht sagte: »Der Taler gehört mir. Aber ich will euch was sagen: ich werde ihn dem zurückgeben, der zuerst sein Gepäck auf meinen Wagen setzt.«
»Darauf warte man!« sagte Kupinski höhnisch.
»Jawohl, Kupinski, genau darauf warte ich«, antwortete der Junge und ging zu seinem Wagen zurück. Während er den Pferden Hafer gab, hörte er ihre erregten Stimmen. Sie waren in Streit, und wenn sie sich erst seinetwegen stritten, stiegen seine Aussichten. Trotzdem richtete er sich darauf ein, den ganzen Nachmittag wieder umsonst zu warten, so schnell besannen sie sich nicht. Wer aber kam, war der Hans Tischendorf, den er fast vergessen hatte.
»Na, Haifisch?« fragte der gestürzte Stift eines Anwaltsbüros.
»Nichts mehr Haifisch!« lachte Siebrecht. »Ich bin Gepäckfuhrunternehmer! Da, lies das Schild!«
»Habe ich längst gelesen«, sagte Tischendorf und warf nur einen kurzen Blick auf das Schild, der dem Jungen scheu vorkam.
Rasch sagte er: »Na, Tischendorf, wieviel hat dir denn der Kiesow dafür gegeben?«
Das Gesicht des anderen wurde nicht rot, aber seltsamerweise röteten sich seine großen abstehenden Ohren. Sie wurden immer röter, Siebrecht sah es mit Vergnügen. »Wofür gegeben?« fragte Tischendorf.
»Für das Fortstehlen von meinem Wagen und das Einsauen vom Schild.«
»Du spinnst ja!«
»Kiesow hat es mir selber gestanden. Er hat das Schild gehalten, sagte er, und du hast eingesaut!«
»Stuß!« sagte Tischendorf. »Ich werde den Kiesow fragen, wenn er kommt. Das kann er gar nicht gesagt haben!«
»Der Kiesow kommt nicht mehr auf den Stettiner, der arbeitet nun auf dem Schlesischen!« Karl Siebrecht hielt es für gut, wenn sich diese Nachricht möglichst bald auf dem Stettiner Bahnhof verbreitete. Sie würde dem Kiesow eine Rückkehr nicht gerade erleichtern.
»Das glaubt dir keiner!« sagte Tischendorf rasch.
»Frage Kiesow selbst! Und sieh dir die Brüsche an, die ich ihm mit dem Peitschenstiel über den Schädel gegeben habe!«
»Ach nee!« sagte Tischendorf nur, und seine dunklen scheuen Augen gingen hierhin und dorthin, nur nicht zu Siebrecht. »Jedenfalls, wenn er behauptet, ich habe was mit deinem Wagen gehabt, dann mache ich ihn meineidig!«
»Das könnt ihr alles vorm Richter ausmachen«, meinte Karl Siebrecht. »Wenn sich nämlich Kiesow hier noch mal sehen läßt. Ich habe ihm versprochen, daß ich dann euch beide anzeige.«
Tischendorfs Ohren hatten längst ihre normale Farbe angenommen. Er hatte die Lage juristisch überprüft und nichts Beunruhigendes an ihr gefunden. »Was da schon viel bei rauskommt! Im
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