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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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keine Olle, und drittens –«
    »Drittens telefonierst du Misthaken auf der Stelle, oder ich drehe dir den Hals um!«
    Wagenseils Faust donnerte auf den Tisch. Wie von einem Windstoß geschleudert, flog das Fräulein an den Apparat. Wagenseil warf sich in einen Stuhl, zog das Messer aus der Tasche und fing an, seine Nägel damit zu pflegen. Dabei fragte er grämlich: »Was sitzt du denn noch hier rum?«
    »Ich warte auf einen.«
    »Auf wen denn?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Ich möcht mal wissen, was du eigentlich weißt!« Er unterbrach sich: »Heh, Sie Zicke, Sie sollen doch sagen, ich bin nicht hier!«
    Das Fräulein reichte ihm sauer-süß lächelnd den Hörer. »Ich konnte es nicht anders machen, Herr Wagenseil, sie hat Sie gehört …«
    »Das lügst du! – Ja, Else?« Seine Stimme klang plötzlich sanft, dabei war es, als habe er einen Schlucken, soviel Ansätze machte er. »Ja, es tut mir furchtbar leid – bißchen spät geworden, ja? – Hatte ein krankes Pferd im Stall – warte noch auf den Tierarzt. – Ich will weg? I wo, ich will doch nicht weg, wererzählt denn so was? – Hat sie falsch verstanden. – Was hat sie gesagt? Ich will saufen gehen? Diese Giftkröte, Else …«
    Seine Stimme klang so sanft, aber dabei hatte er mit der freien Hand nach einem Locher gefaßt und schleuderte ihn gegen das Fräulein. Gemeinsam mit Karl floh sie aus dem Büro, in dem der Chef sanft weiter telefonierte …
    »Haste mal seine Frau gesehen?« fragte die Sekretärin, das Fräulein Palude, draußen im Dunkeln.
    »Nein, die ist ihm wohl über?«
    »Manchmal! Gerade wie er und wie sie Stimmung haben! Diesmal habe ich ihn schön reingelegt! Nun kann er heute abend nicht weg, die ruft ihn alle fünf Minuten an, bis es ihm über ist und er nach Haus kommt. – Ich gehe auch nach Haus jetzt. Wartest du noch?«
    »Kein Gedanke! Es ist schon nach neun, der kann ja wiederkommen!«
    Ein Stück gingen die beiden noch gemeinsam. Das säuerliche Fräulein war richtig aufgekratzt, weil es seinem Chef einen Possen gespielt hatte. Es wußte eine ganze Menge von ihm zu erzählen, von seinen plötzlichen Sparsamkeitsanfällen, wenn er über ein Pfund Hafer tobte, und von seiner sinnlosen Sucht, alles Neue anzuschaffen …
    »Jetzt soll ich sogar Schreibmaschine lernen. Einen Vogel hat er, wo er nicht mal richtig Deutsch kann. Da soll er sich man eine Neue, eine Junge, nehmen – aber das erlaubt ihm die Frau nicht. Früher war überhaupt immer ein Jüngling auf dem Büro, aber mich hat sie ihm erlaubt …«
    Auf dem Alexanderplatz trennten sich die beiden. Siebrecht hatte das Gefühl, daß er bei Fräulein Palude einen Stein im Brett hatte, das freute ihn. Überhaupt freute ihn sein ganzer Tag. Und nun ging er zu Rieke, er hatte erreicht, was er gewollt hatte, oder doch beinahe erreicht. Nun wurde es ihm leicht, sich mit ihnen auszusöhnen. Mit Kalli war er übrigens schon so gut wie ausgesöhnt, es würde ein netter Abend bei Rieke werden.
    Der Junge ging immer schneller, ein feiner, dichter Regen schlug ihm ins Gesicht. Er war fast wie Nebel. Die Gaslaternenbrannten in einem grauen Dunst. Drei Schritte ab von ihnen war es schon wieder ganz dunkel.
    Siebrecht hatte ein gutes Gefühl für die Richtung, in der er gehen mußte. Er war zuerst die Dircksenstraße hinaufgegangen, und als ihm die dann zu weit nach links abbog, hatte er sich rechts gehalten. Er kannte die Straßen nicht, er tastete sich so durch, einmal las er Dragonerstraße, kurz darauf Münzstraße. Es mußte aber eine schlechte Gegend sein, das bißchen, was er von den Häusern im Schein der Gaslampen sah, war scheckig, wie aussätzig. In den Destillen wurde laut gegrölt, Betrunkene torkelten auf der Straße.
    Jetzt kam aus der Seitenstraße ein Herr in langem Mantel heraus. Die Straße auf und ab sehend, ging er vorsichtig in die Mitte der Fahrbahn. Schon ein ganzes Stück vor Karl hob er die Hand nach dem Hut, wodurch sein Gesicht zur Hauptsache verdeckt wurde, und fragte mit einer tiefen, vielleicht durch den Nebel unnatürlich klingenden Stimme: »Entschul digen Sie, wo bin ich hier eigentlich?«
    »So genau kann ich Ihnen das auch nicht sagen«, meinte Karl Siebrecht, stehenbleibend. »Da hinten, irgendwo, ist der Alexanderplatz –«
    Der Herr schlug ihm mit der geballten Faust ins Gesicht. Zugleich hob er den Fuß und trat dem Jungen mit aller Gewalt gegen den Leib. Der schrie vor Schmerz und Schreck auf, krümmte sich nach vorn, und fiel auf das Pflaster. Der

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