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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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und nun traf der schwere zähe Peitschenstiel den Dienstmann am Kopf. Die Mütze fiel, einen Augenblick stand Kiesow wie betäubt, dann fuhr er mit beiden Händen an den geschlagenen Kopf und schrie: »Jetzt gehn wir auf die Polizei, jetzt kommst du aber mit auf die Polizei! Das blutet ja, das zeige ich denen! Jetzt fliegst du rein!«
    »Ja, das blutet, Kiesow«, sagte Karl Siebrecht. »Und wenn du willst, gehen wir auf die Polizei. Ach bitte«, sagte er zu einem der Neugierigen, die sich schon angesammelt hatten, »haben Sie nicht gesehen, daß der Mann mich angesprungen hat? Daß ich mich bloß verteidigt habe?«
    »Natürlich hab ick det jesehen, Jüngling!« sagte der kleineMann, wie alle Berliner überraschend plötzlich gekränkt. »Denken Sie, ick habe schlechtere Oogen als Sie?!«
    »Und böse wärste mit ’m Dötz aufs Pflaster jeballert«, sagte eine amtliche Stimme, nämlich ein Briefträger. »Wie können Se denn so wat machen, Mann? Jemanden an de Beene vom Wagen reißen – es ist die Möglichkeit!«
    »Und so eener red’t von Polizei«, murmelte eine Baßstimme.
    Kiesow merkte, daß die Volksstimmung gegen ihn war. »Mit dem Peitschenstiel übern Nischel!« murrte er. Dann bückte er sich nach seiner roten Mütze, legte sein sehr fragwürdig aussehendes Taschentuch auf die geschundene, jetzt rasch anschwellende Stelle und klemmte es mit der Mütze fest.
    »Daß ihr so sein könnt gegen ’nen ollen Dienstmann –« sagte er vorwurfsvoll. »Na ja, auf ein totes Aas hacken alle Raben!«
    »Da hast du recht: ein Aas biste!« rief der Baß, und viele lachten.
    Mit einem letzten vorwurfsvollen Blick, der aber den Karl Siebrecht vermied, spannte sich Kiesow vor seine Karre und zottelte langsam davon. Auch der Junge setzte sich wieder auf seinen Bock. »Hüa!« rief er, und die Pferde zogen an. Jetzt folgte er in weitem Abstand dem Kiesow, aber er folgte ihm. Immer sah er die rote Mütze vor sich, und die rote Mütze fuhr nicht zum Stettiner Bahnhof, rechts bog sie ab, immer weiter rechts, nach Osten statt nach Norden wies ihr Kurs. Karl Siebrecht wurde ganz zweifelhaft, ob es noch Zweck hätte, ihr weiter zu folgen …
    Schließlich aber hielt der Dienstmann 13 an. Er hielt ohne jeden ersichtlichen Grund, in einer dieser Straßen beim Schlesischen Bahnhof, die einander alle so ähnlich sehen. Kiesow stellte sich auf den Bürgersteig und sah, die Hände in den Taschen, dem anfahrenden Jungen entgegen. Auch Karl Siebrecht hielt, und einen Augenblick blickten die beiden einander stumm an. Der Dienstmann sah eher trübe als kampfeslustig aus. »Na, denn steig man runter«, meinte Kiesow schließlich. »Aber die Peitsche läßt du oben!« Der Junge sah die Straßeauf und ab. Sie war weder besonders belebt, noch war sie leer. »Hast du Bange?« fragte Kiesow. »Ich tu dir nichts.«
    »Aber ich dir!« rief Karl Siebrecht und sprang vom Wagen. »Nämlich, wenn du mich noch einmal anfaßt.«
    Die beiden standen sich schweigend gegenüber, jetzt auf gleichem Boden. Dann fragte Dienstmann 13: »Was willst du eigentlich von mir?«
    »Das habe ich dir schon gesagt!«
    »Was du gesagt hast, ist Stuß! Das tue ich nie!«
    »Dann fahre ich dir so lange vor der Nase rum, bis du es über hast!«
    »Dann zeige ich dich an wegen Existenzschädigung!«
    »Dann zeige ich dich erstens an wegen Verleumdung …«
    »Das muß einem erst bewiesen werden!«
    »Dafür habe ich Zeugen!« behauptete Siebrecht kühn. »Dann hast du mir meinen Wagen verschleppt …«
    »Habe ich nicht!« rief Kiesow rasch. »Das hat ein ganz anderer getan!«
    »Das weiß ich recht gut«, behauptete der Junge. »Aber in deinem Auftrag geschah es.« Er sah den Mann an, er wagte es, nur dieser Mann konnte es getan haben. »Und dann bist du am Neuen Tor gesehen worden, wie du das Schild eingeschmutzt hast!«
    »Das war ich nicht!« rief wieder rasch Kiesow. »Ich habe es bloß gehalten!«
    »Das genügt mir«, lachte der Junge. »Und der Polizei genügt es auch.«
    Der Dienstmann 13 sah finster auf den Lachenden. Dann, mit einer plötzlichen Bewegung wandte er sich zu seiner Karre, nahm die drei Handkoffer herunter und stellte sie auf den Rollwagen. »Da!« sagte er. »Da hast du sie! Fahr du sie auf den Stettiner. Ich lasse mich da nicht wieder sehen. Du hast mich alle gemacht.«
    Siebrecht sah ihn prüfend an, er glaubte ihm nicht. Dann sagte er: »Macht neunzig Pfennig, Kiesow!«
    »Was?« rief der Mann wütend. »Geld willst du auch noch von

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