Ein Mann will nach oben
Marstall!«
»Ja, heute –!«
»Affe! Mich kannst du nicht ärgern –! Wie hast du dir das mit den Sträußen gedacht? Die kleinen an die Scheuklappen, was? Und die großen –?«
»In die Laternenhalter.«
»Richtig, doof bist du nicht, nur manchmal. Ich kommeheute mal selber auf den Bahnhof und sehe mir euren Rummel an. Der andere ist doch bestimmt da?«
»Der andere ist bestimmt da!«
Aber ganz sicher war Karl dessen nicht. Die Drohungen und der abgenommene Ausweis mochten noch so stark wirken, vielleicht konnte Kiesow einfach nicht kommen. Kalli Flau hatte sehr derbe Fäuste, und er hatte schonungslos Gebrauch von ihnen gemacht …
Als er dann aber am Stettiner Bahnhof anfuhr, sah er sofort, Kiesow mußte schon in die Erscheinung getreten sein, wenn er jetzt auch nicht zu erblicken war. Sonst hatten die Dienstmänner beim Anblick des Rollwagens beiseite geschaut, sie hatten ihn nicht grüßen wollen. Heute sahen sie ihm alle gespannt entgegen. Sie hatten also Kiesows Gesicht gesehen und waren nun auf das seines Gegners neugierig.
»Guten Morgen!« grüßte Karl Siebrecht im Vorbeifahren, sah sie an, gönnte ihnen den vollen Anblick seines geschundenen Gesichtes und schnickte vergnügt mit der Peitsche.
»Morjen –!« sagten sie, nicht alle, aber die meisten.
Dann rief einer: »Wat haste aber ooch abjekriegt aus Mutters Lumpensack!«
»Warum denn nicht?« rief Siebrecht lachend über die Schulter zurück. »Einer muß auch nicht alles haben wollen!«
Er hielt, strängte das Sattelpferd ab und hatte das bestimmte Gefühl, heute bekam er sofort Fracht. Er hatte noch keine zwei Minuten so gestanden, da kam einer geschlendert, und ausgerechnet war es der hitzige Kupinski.
Der stellte sich neben den Wagen und musterte stumm den Blumenaufputz. Dann tat er seinen Mund auf und sprach: »Wie zur Hochzeit oder wie zum Begräbnis. Was soll es nun sein?«
»Hochzeit!« antwortete Karl Siebrecht kurz.
»Als wie wieso?«
»Weil’s heute richtig losgeht mit dem Gepäckfahren.«
Kupinski überlegte den Fall, spuckte aus und sagte: »Von uns bringt dir keiner was!«
»Doch!« widersprach der Junge.
»Na, wer wohl?«
»Kiesow –!«
»Kiesow! Du lächerst mir! Wo du ihn so zugerichtet hast!«
»Das war in aller Freundschaft. Hinterher haben wir uns ausgesprochen, und er hat eingesehen, es ist nur sein Vorteil.«
»Das lügst du!«
»Es ist aller Vorteil!«
»Das weiß man noch nicht. Aber das mit Kiesow lügst du!«
»Wetten, daß Kiesow Gepäck bringt?«
»Wetten? Um was denn?«
»Wenn Kiesow bringt, bringst du auch!«
»Und was wettest du?«
»Ich –?« Karl Siebrecht überlegte einen Augenblick, dann sagte er kühn: »Alles Geld, was ich in der Tasche habe!«
»Wird nicht viel sein!«
»Laß mal sehen!« Karl Siebrecht zählte. Die Blumen waren abgegangen, auch das Essen gestern. »Elf Mark achtzig«, sagte er.
»Die wettest du?«
»Die wette ich!«
»Gemacht!« Und Kupinski hielt ihm seine Hand hin. Sofort schlug Siebrecht ein.
»Gemacht!«
»Junge, die verlierst du!« sagte Kupinski noch.
»In zehn Minuten werden wir es wissen!« meinte Siebrecht siegesgewiß.
Er sah Kupinski zu den andern gehen, reden, ein aufgeregtes Gespräch entstand, immer wieder wurde zu ihm und zu seinem Wagen hingesehen. Die Unterredung wurde so hitzig, daß sie darüber wieder einmal die Zeit vergaßen.
In der Pforte erschien Kalli Flau mit Koffern und schrie: »Der Schwedenzug ist da! Los!«
Aber er wurde zur Seite gestoßen von dem Dienstmann Kiesow. Schwankend unter seiner Last lief er auf den Wagen zu, warf sein Gepäck darauf und schrie: »Ich habe als erstermein Gepäck darauf gesetzt, ich kriege den Taler! Her damit! Siebrecht!«
»Hast du das gesehen, Kupinski?!« schrie Karl Siebrecht wild vor Freude zu den völlig verblüfften Dienstmännern hinüber. »Los! Gepäck ranschaffen! Die Wette ist für mich gewonnen!« Und hingerissen fing er an, auf dem Wagen herumzuspringen und zu schreien: »Hierher! Hierher mit dem Gepäck! Hier wird Gepäck am billigsten in ganz Berlin gefahren! Hier fährt die Berliner Gepäckbeförderung! Von und zu den Bahnhöfen, pünktlich! Gewissenhaft! Billig! Hierher!«
Aus zwei blaugeschlagenen Augen glotzte Kiesow trübe zu ihm hinauf. Er flüsterte: »Mein Taler!«
Kalli Flau setzte seine Koffer auf den Wagen, faßte Karl Siebrecht am Bein und sagte: »Du bist wohl verückt geworden, Karl?! Was sollen denn die Leute von dir denken! Ich denke, du bist ein solider
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