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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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eigentliche Nutznießer der Firma Siebrecht & Flau war Franz Wagenseil. Niemand verdiente an ihr soviel Geld wie er. Und völlig mühelos. Als das Geschäft erst in Gang gekommen war, hatte er rasch nacheinander das Fouragegeschäft, dann den Kartoffel-und Kohlenhandel aufgegeben. Das lohnte sich nicht mehr, das war alles bloß Läpperkram.
    Dann war auch das Fuhrgeschäft sanft entschlafen. Er begnügte sich mit dem Stellen von Fuhrwerken für die Berliner Gepäckbeförderung, das brachte genug ein! Den Fuhrhof besorgte ein alter Futtermeister, da brauchte er nur alle Woche einmal eine Pupille hinzuschmeißen!
    Der Fuhrherr selbst aber legte sich auf die lockere Seite, saß in Schenken herum und amüsierte sich nachts mit kleinen Mädchen. Das war zu jener Zeit gewesen, als Frau Elschen offiziell zu Besuch bei ihrer Mutter in Schivelbein, Hinterpommern, weilte. Aber in einer sehr angetrunkenen Stunde hatte Franz Wagenseil seinem Freunde Karl erzählt, daß Elschen mit einem Schornsteinfeger durchgegangen war. Der Umstand, daß es gerade ein Schornsteinfeger war, schien Wagenseil viel mehr zu kränken als das Durchgehen.
    »Und da sagt man noch, daß Schornsteinfeger Glück bringen! Sag selbst! Was kann Elschen bloß an so ’nem schwarzen Kerl finden? Verstehst du das, Karl?«
    Auch Karl verstand es nicht. Aber jedenfalls kehrte Elschen nach einiger Zeit von ihrer kranken Mutter in Schivelbein, Hinterpommern, zurück und nahm die Zügel des Eheregiments wieder in ihre Hände. Mit der Kneipensitzerei und den kleinen Mädchen war es für Franz nun wieder vorbei. Else Wagenseil war nicht weicher, sie war noch strenger geworden. Aber vielleicht hatte sie selbst das Gefühl, daß sie zwar nicht moralisch, aber gesellschaftlich einen Fehltritt begangen hatte. Sie mußte sich rehabilitieren. Eine Villa in Erkner wurde erstanden. Elschen und Franz sagten nur »die Filla«. Und auf dem Gartengrundstück der Filla wurden jetzt Gewächshäuserzur Ananaszucht gebaut. Franz Wagenseil wollte ganz Berlin mit Ananas beliefern. Er konnte genau vorrechnen, wieviel Hunderttausende ihm das bringen mußte. Die Firma Siebrecht & Flau aber zahlte!
    Dabei konnte nichts weniger üppig und reich aussehen als die Räumlichkeiten der Firma und ihrer Inhaber. In dem »Büro« genannten Laden war nur das Nötigste, die Regale waren aus Fichtenholz, und die Kasse bestand aus einer Blechbüchse, in der einmal Thorner Kathrinchen aufbewahrt gewesen waren. Man erkannte noch Spuren der bunten Malerei auf dem Deckel. Am Tage stand sie in Fräulein Paludes Schublade, nachts nahm sie Karl Siebrecht in sein Zimmer mit. Stühle waren immer knapp.
    Waren wichtige Verhandlungen zu führen, die nicht jeder hören durfte, so ging man vom Laden in das anstoßende, auch nach der Straße zu liegende Zimmer, in dem die beiden jungen Firmeninhaber schliefen. Ihre Betten standen in der dunklen Ecke des Zimmers hinter einer spanischen Wand, die ewig knarrte und gerne umfiel. Im offenen Teil des Zimmers standen ein Tisch mit ein paar Stühlen, eine Kommode, zwei Kleiderschränke, das war alles. Man wusch sich wie früher in der Küche. Den einzigen Schmuck des Zimmers bildete eine goldgerahmte Dreimastbrigg in Buntdruck. Kalli hatte das Bild irgendwo aufgetrieben und behauptete in gewissen Zeiten gesteigerten Selbstbewußtseins, das sei der Trawler »Emma« von Käptn Rickmers, auf dem sei er einmal gefahren.
    Das war aber auch die einzige seemännische Erinnerung bei Kalli Flau. Im übrigen war er ein Teilchen der Stadt Berlin geworden. Er schaukelte nicht einmal mehr beim Gehen. Mit Rieke berlinerte er sogar manchmal – aber nur, wenn Karl Siebrecht nicht in der Nähe war. Der hörte das gar nicht gerne: Rieke sollte richtig deutsch sprechen, Kalli nicht berlinern lernen.
    Im übrigen war Kalli Flau ein breiter, untersetzter junger Mann, dunkel, mit ruhigen Augen und einem kleinen schwarzen Schnurrbart. Siebrecht war ihm längst über den Kopf gewachsen,er war sehr blond und fast zu schlank, gut um einen halben Kopf länger als Kalli.
    Neben dem Zimmer der jungen Männer, aber nur über den Flur erreichbar, lag die Schneiderstube Riekes. Hier stand die Engländerin, die noch nie gestreikt hatte, und benähte, was aus der Gegend des Oranienburger Tors seinen Weg in die Eichendorffstraße fand. Rieke hatte mit den Jahren so viel gelernt, daß sie ihre Kundschaft, lauter kleine Leute, zu deren Zufriedenheit mit Blusen, Unterkleidern und Röcken versorgte. Manchmal

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