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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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stärker. »Nun –?! Würden Sie wenigstens meine Tasche aufheben?«
    »Aber natürlich!« rief er und bückte sich nach der Tasche. Als er sich wieder aufrichtete, war auch sein Gesicht gerötet. Er versuchte, die mißhandelte Tasche mit seinem Jackenärmel sauber und blank zu reiben.
    Sie betrachtete das mit schweigender Mißbilligung. Endlich sagte sie: »Wenn Sie Ihren Jackettärmel ganz eingeschmutzt haben, geben Sie mir meine Tasche vielleicht zurück.«
    »O bitte –!« sagte er hastig und reichte ihr die Tasche. Karl Siebrecht hatte einen unglücklichen Tag, vielmehr: er hatte einen glücklich-unglücklichen Tag. Die Tasche war offen, beim ungeschickten Hinüberrreichen fiel der Inhalt auf den Weg.
    »Sind Sie aber ungeschickt!« rief sie, jetzt wirklich zornig.
    Beide bückten sich gleichzeitig nach dem verstreuten Inhalt. Mit einem kräftigen Bums berührten sich ihre Köpfe. Halb gebückt starrten sie einander an, er grenzenlos verwirrt, sie in zornigem Erstaunen.
    »Ja, gibt es denn so etwas –?!« rief sie, rieb sich den Kopf und rückte an ihrer Schute.
    »Wirklich, ich benehme mich wie ein Idiot«, antwortete er schuldbewußt und fing an, den Inhalt der Tasche aufzusammeln: einen Schlüssel, Spiegel und Taschentuch, ein Geldtäschchen …
    »Sie benehmen sich wie ein Idiot? Sie sind einer!« rief sie. »Ich habe so was noch nicht erlebt! – Wollen Sie wohl das Bild nicht ansehen?!« Sie riß es ihm hastig aus der Hand, das Bild zerriß, und in seiner Hand blieb der wichtigere Teil: der Kopf eines mit einer Couleurmütze gezierten Studenten, dessen linke Backe zwei lange Durchzieher schmückten.
    »Daran bin ich aber wirklich nicht schuld …« murmelte er verzweifelt.
    »Indiskret sind Sie also auch noch! Was hatten Sie das Bild anzustarren?!« Sie sah ihn verächtlich an. »Im übrigen ist es mir ganz egal, das Bild stellt nämlich meinen Bruder vor.« – Unter seinem Blick wurde sie immer röter. – »Sie haben gar nichts zu grinsen! Es ist wirklich mein Bruder! Er studiert Medizin, bitte sehr!« Ihr Blick war voll Verachtung und Überlegenheit.
    »Ich griene wirklich nicht, Fräulein«, entschuldigte er sich. »Natürlich ist es Ihr Bruder. Hier, bitte schön!« Und er machte einen Versuch, ihr den schmissigen Kopf auszuhändigen.
    »Schmeißen Sie den Lappen doch weg! Was soll ich denn damit –?! Ich mache mir gar nichts aus dem Bild! Das Bild ist mir ganz egal, ich sehe meinen Bruder alle Tage!« Der Ausdruck Ihrer Augen, die zornige Erregtheit der Sprache straftenihre Worte Lügen. »Sie sollen mich nicht so ansehen!« rief sie. »Wissen Sie, was Sie sind? Sie sind einfach ein ekelhafter Mensch! Sie sind der ekelhafteste Mensch, den ich in meinem ganzen Leben getroffen habe!« Jetzt waren ihr die Tränen wirklich nahe.
    »Ich bitte tausendmal um Verzeihung«, sagte er schuldbewußt.
    »Das hilft mir gar nichts!« rief sie. »Sie haben mir meine Tasche verdorben, und Sie haben mir mein Bild zerrissen.« Dies entsprach nicht ganz den Tatsachen, darum rief sie hastig: »Und Sie haben mir auch eine Beule beigebracht!« Sie rieb sich energisch die schmerzende Stelle. »Was wollen Sie nun noch? Haben Sie noch ein Attentat auf mich vor?! Gehen Sie doch schon!«
    »Ich wollte Sie um Verzeihung bitten.«
    »Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich Ihnen nicht verzeihe! Also gehen Sie jetzt endlich!«
    »Wirklich, Fräulein, ich bitte Sie …«
    »Sie sollen jetzt gehen! Ich unterhalte mich nicht mehr mit Ihnen!«
    »Bitte, Fräulein! Bitte!!«
    »Also schön, ich verzeihe Ihnen, aber nun gehen Sie auch!« – Sie hatte es sehr dringlich, ihn fortzubekommen.
    »Geben Sie mir doch die Hand, zum Zeichen, daß Sie mir verzeihen!«
    »Aber unter keinen Umständen!«
    »Bitte –!«
    »Na schön, sonst werde ich Sie doch nicht los! Also, adieu, Herr – Tollpatsch!«
    »Auf Wiedersehen, Fräulein – Fräulein …«
    »Nun, wie heiße ich? Sehen Sie, es fällt Ihnen nicht einmal etwas ein!«
    »Auf Wiedersehen, Fräulein – Bruder!«
    Einen Augenblick betrachteten sie sich schweigend. Es war noch unentschieden bei ihr, ob sie zornig werden oder lachen wollte. Dann lachte sie. »Also frech sind Sie auch noch!« riefsie. »Idiotisch, ungeschickt, frech – gottlob, daß ich Sie nie wiedersehe!«
    »Auf Wiedersehen!« sagte er ernst und ging. Als er sich nach zehn Schritten umdrehte, ertappte er sie, wie sie den endlich gefundenen Fetzen des Bildes aufhob. Ihre Blicke begegneten einander. Mit einer zornigen

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