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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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deinen Kontoauszug ein. Du wirst ihn in der nächsten Zeit brauchen, um die Zahlen zu vergleichen. Von nun an werden fünfundsiebzig Prozent deines Anteils zum Ausgleich einbehalten.«
    Der Fuhrherr wurde blaß. Dann ballte er zornig den Auszug zusammen und warf ihn in eine Ecke. »Da! Das ist dein Kontoauszug wert«, schrie er. »Du willst also Krieg mit mir führen, du Lausejunge, der noch nicht trocken hinter den Ohren ist! Du sollst was erleben!«
    »Ich will nicht Krieg mit dir führen, Franz. Ich will dir ein wenig kaufmännische Ordnung beibringen. Wenn du aber Krieg willst, so sollst du ihn haben.« Er sah den Franz Wagenseil kühl an.
    Der lachte auf. »Du Junge, du!« rief er. »Du sollst was erleben! Du sollst mich noch kennenlernen!«
    »Ich kenne dich schon!« sagte Karl Siebrecht.
    Da ging Franz Wagenseil – er lachte. Mit einer wahren Freude dachte er daran, daß dieser Jüngling noch keine Ahnung davon hatte, wessen Franz Wagenseil alles fähig war.

39. Fräulein Bruder im Tiergarten

    Auch Karl Siebrecht, der durch den maigrünen Tiergarten der Wohnung des Herrn von Senden zuging, dachte darüber nach, daß er eigentlich den Franz Wagenseil nicht kannte. In diesen vier Jahren hatte er ihn als leichtsinnigen Verschwender kennengelernt, auch als einen geldgierigen Plänemacher, als einen gewissenlosen Geschäftsmann, der doch nicht ohne Gutmütigkeit war. Aber wessen dieser Mann fähig war, wie weit er sich von seiner Geldgier und Rachsucht würde hinreißen lassen, das wußte er nicht. Bestimmt war Franz Wagenseil kein Dienstmann Nr. 13, Kiesow, er würde keine nächtlichen Überfälle arrangieren, so war er nicht. Aber Karl Siebrecht hatte das dunkle Gefühl, als könne sein Vertragspartner ebenso gemein und hinterhältig sein wie jener heutige Gasuhrenableser, nur würde er andere Mittel wählen. Sein Ziel aber würde immer nur Geld sein, Geld, das er dem Gegner abnahm, um es sinnlos zu verschwenden.
    Karl Siebrecht ging weiter durch den Tiergarten. Aber er sah weder das junge Grün der Bäume noch die gelben Trauben des Goldregens, noch die lila und weißen Dolden des Flieders. Er sah nicht all die hellen Kleider der Frauen und Mädchen, und wenn er einen Reitweg überqueren mußte, blickte er nur ungeduldig auf die Reiter, diese Herren Offiziere in den bunten Uniformen der Garderegimenter – blickte auf sie, sah sie aber nicht. Er dachte noch immer an Herrn Franz Wagenseil. Was war der damals noch für ein Kerl gewesen, als Karl vor vier Jahren seinen Fuhrhof betrat! Jawohl, auch damals schon ein Mann mit einem Vogel, aber ein rühriger Mann, ein fleißiger Mann, nicht zu fein, nach Feierabend selbst eine Möbelfuhre zu machen.
    Und heute? Ein fauler Herumtreiber, ein Schuldenmacher, ein Phantast – nein, dem Franz Wagenseil war das mühelose Geldverdienen nicht bekommen! Je mehr er verdiente, um so größer wurden seine Ansprüche. Bei all seiner Umtriebigkeit war Franz Wagenseil faul bis in die Knochen, er war nicht derrichtige Partner für eine aufstrebende Firma. Es war höchste Zeit, ihn auszuschiffen, und nun wurde er ausgeschifft.
    Karl Siebrecht stampfte energisch mit seinem Fuß auf – er stampfte auf etwas Weiches. Zugleich ertönte ein Aufschrei aus weiblichem Munde direkt neben ihm.
    Erwachend sah er erst zur Erde, dann zur Seite. Er war so versponnen in seine Auseinandersetzung mit Franz Wagenseil gewesen, daß er nichts gesehen und gehört hatte. Weder hatte er etwas vom Tiergartenfrühling gesehen, noch hatte er den ärgerlichen Ausruf der jungen Dame vernommen, der die Handtasche weggeglitten war. Er hatte sogar – »Ich glaube, ich stehe auf Ihrer Tasche …« sagte er verwirrt.
    »Sie glauben es?!« rief sie zornig. »Ich weiß es! Sie haben sogar noch extra drauf getrampelt!«
    »Ich wollte bestimmt nicht auf Ihre Tasche treten«, sagte er grenzenlos verlegen. »Ich dachte …«
    »Nun, was dachten Sie?« drängte sie, als er stockte. »Sie treten wohl die Leute, mit denen Sie sich zanken, mit dem Fuß –?«
    Er sah sie bewundernd an. Es kam ihm vor, als habe er noch nie ein so reizvolles junges Mädchen gesehen. Sie war fast so groß wie er, ein schutenartig herabgebogener weißer Strohhut umgab das längliche Gesicht mit den sanft geröteten Wangen wie ein Rahmen. Lange, korkzieherartig gedrehte blonde Locken berührten leicht diese Wangen.
    »Nun?« fragte sie herausfordernd, als er nichts tat, sie nur immer weiter anstarrte – und ihr Gesicht rötete sich ein wenig

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