Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
Vom Netzwerk:
Bewegung warf sie den Kopf in den Nacken, daß die langen Korkzieherlocken hochflogen, dann streckte sie ihm die Zunge aus und entfernte sich eilends.

40. Ein Vertrag mit Herrn von Senden

    »Da haben wir also den Eroberer von Berlin!« sagte der Rittmeister und nahm seine langen Beine, eines nach dem anderen, vorsichtig vom Kamingitter. »Karl, mein Sohn, ich freue mich!«
    »Ich freue mich auch, Herr Rittmeister!« antwortete Karl Siebrecht und schüttelte herzlich die lange, schmale Hand. »Sie sind aber ganz weiß geworden!«
    »Ja, mein Junge«, sagte der Rittmeister und strich sich unwillkürlich über den vollen, aber wirklich schneeweiß gewordenen Scheitel. »Die Jahre kommen, von denen es heißt, sie gefallen uns nicht mehr. – Übrigens haben mir die Jahre vorher auch schon nicht übermäßig gefallen.«
    »Es steht Ihnen aber gut«, meinte Karl Siebrecht und sah mit ehrlicher Sympathie in das Gesicht des Mannes, gegen dessen Zuneigung er sich so lange gewehrt hatte.
    »Doch ich nenne dich noch immer du und sage Junge zu dir! Du bist ein Mann geworden, ein junger Mann, wollen wir sagen, und so werden wir uns jetzt zu dem Sie entschließen müssen, nicht wahr, Herr Siebrecht?«
    Aber dagegen protestierte der junge Mann: »Nein, nein, Herr Rittmeister. Wir wollen es genauso lassen, wie es früher war, mit ›du‹ und ›mein Sohn‹ und ›Karl‹. Das ist mir am liebsten. Außerdem bin ich erst zwanzig Jahre alt, und das ist noch gar kein Alter!«
    »Du mußt viel Erfolg gehabt haben, mein Sohn«, lächelte der Rittmeister, »sonst wärest du nicht so milde zu mir. Vor vier Jahren hättest du es am liebsten gesehen, ich hätte dich mit ›Herr‹ und ›Sie‹ angeredet. Wie ist es dir ergangen in diesen vier Jahren? Erzähle doch!«
    Sie saßen beide in tiefen Sesseln vor dem Kamin, in dem aber kein Feuer brannte. Die Fenster standen offen, und der warme Maiwind blähte sanft die Gardinen. Der Herr von Senden hatte seine Füße wieder auf das Kamingitter gesetzt, und Karl sah die untadeligen Lackschuhe und rosenrote seidene Socken. Wie gut ihm das tat! Wie ihn das an alte Zeiten erinnerte! Wie diese Socken, die er damals als faxig gefunden hatte, den Abstand zwischen damals und heute begreiflich machten! Heute fand er sie völlig berechtigt und sogar hübsch.
    »Ach, Herr Rittmeister!« rief Karl Siebrecht. »Bitte, sagen Sie mir doch erst, wie steht es auf der Zeichenstube? Was macht Herr Oberingenieur Hartleben? Und wie geht es dem Dicken mit den Schmissen, der mich eine Zeitlang so geschunden hat – wie hieß er doch? Ich glaube, Senftlein?«
    »Ich kann es dir nicht sagen, mein Sohn«, antwortete der Rittmeister. »Ich sehe meinen Schwager nur noch selten, und mit seinen Geschäften habe ich gar nichts mehr zu tun. Fast gar nichts«, verbesserte er sich. »Man baut nicht ungestraft im Westen. Herr Kalubrigkeit hat sich dabei ein wenig übernommen, es gab etwas zuviel Anstände mit der Baubehörde, kurz, mir wurde die Chose zu langweilig, und ich zog mich zurück.« Er betrachtete nachdenklich die Glanzlichter auf seinen Lackschuhen. »Aber mein Schwager hat sich bestens arrangiert, muß ich sagen. Zur Zeit ist er, wie ich höre, ein großer Mann, sogar ein Orden soll ihm winken. Er baut nämlich nur noch Kirchen. Kirchen sind augenblicklich das Feinste, noch viel feiner als Warenhausbauten.«
    »Und Herr Hartleben?«
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht, mein lieber Sohn. Er hat dir damals irgendwie geholfen, nicht wahr? Ersprach mir mal davon. Ich habe ihn aus den Augen verloren, man lernt so viele Menschen kennen, er wird wohl auf irgendeiner anderen Zeichenstube sitzen, ich will es hoffen.«
    »Ich hätte Herrn Hartleben gerne einmal wiedergesehen«, sagte Karl Siebrecht nachdenklich. »Er war immer sehr nett zu mir.«
    »Ja, du möchtest ihn gerne wiedersehen«, meinte der Rittmeister mit seiner alten Skepsis, »weil du Erfolg hast und vorangekommen bist; wenn es bei ihm aber unterdes zurückgegangen ist, wäre dies Wiedersehen nicht sehr erfreulich für ihn, nicht wahr? Nun, lassen wir das, mein Sohn, ich möchte dir nichts von der Taufrische deiner Gefühle nehmen. Ich sehe schon, du besitzt noch deine alte Empfindlichkeit. – Und wie steht es mit dir? Du arbeitest jetzt auf einem Büro?«
    »Ja und nein.« Und Karl Siebrecht fing an zu erzählen. Zuerst glaubte er, er könne es mit ein paar Sätzen abtun, nur ganz kurz Umfang und Zweck seiner Firma schildern. Aber entweder

Weitere Kostenlose Bücher