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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Stoffewaren beiseite geschoben, daß ein Eckchen des Tisches frei war. Eine häßliche braune Tonkanne stand dort, zwei Tassen ohne Untertassen, und im Papier, wie es vom Bäcker gekommen war, das Gebäck: ein paar Stücke Mohnstriezel und Schnecken. Beide fuhren schuldbewußt hoch, als Karl Siebrecht unvermutet eintrat. Sie wußten, er haßte diese liederliche Art. Er fand, ein Luxus, den sie sich leisten könnten, sei ein anständig gedeckter Tisch.
    Aber heute war er nicht in der Stimmung, erzieherisch zu wirken. »Na, ihr beiden Sünder!« sagte er nur. »Habe ich euch wieder einmal ertappt? Es muß doch herrlich sein, sich so gehenzulassen, aber ich werde es nie verstehen. – Nein, Rieke, danke, keine Tasse für mich, und ich esse auch nichts. Ich habe heute beim Rittmeister von Senden gegessen. Ja, den habe ich auch wieder einmal gesehen – er war übrigens sehr nett.«
    Sie warteten beide, daß noch weiteres käme. Aber weiteres kam nicht. Das war so Karl Siebrechts Art, sehr mitteilsam war er zu seinen Freunden nicht. Er fragte lieber, als daß er antwortete. Sie waren schon daran gewöhnt. Er hatte vom Schneidertisch das Rädchen genommen, mit dem die Schneiderinnen ihre Schnittmuster ausradeln, und spielte nachdenklich damit. »Haste Krach mit dem Franz jehabt, Karle?« fragte die Rieke vorsichtig.
    Er fuhr aus seinen Gedanken auf. »Hat die Palude was erzählt?«
    »Die –? Kein Wort hör ich von der! Die kann mir doch nicht ausstehn! Nee, Karle, aber ihr habt ja Krach jenug jemacht in deine Stube, sojar bei’s Maschinennähen ha ick euer Jeschrei jehört!«
    »Ich habe bestimmt nicht geschrien, Rieke!«
    »Na, du valleicht nich, bei’s Schreien klingt eine Stimme durch die Wand wie die andere. Hat er sich denn wieda bejeben, der Franz?«
    »Nein«, sagte Karl Siebrecht. »Er hat sich nicht begeben, der Franz.« Er sah rasch zu Kalli Flau hinüber, der ihn mit seinendunklen Augen schweigend ansah, und sagte: »Er hat uns den Krieg erklärt, Kalli.«
    »Ach, der olle Wutkopp!« meinte Rieke verächtlich. »Wenn er det nächste Mal wieda Jeld braucht, is er wieda so kleen!«
    »Er bekommt aber kein Geld mehr von mir«, sagte Karl Siebrecht und stand auf. »Hör zu, Kalli! Paß auf, Rieke!« Dies war rein rhetorisch, denn sie hörten auch ohnedies gespannt zu und paßten auf wie die Schießhunde. »Franz hat heute früh wieder dreitausenddreihundert Mark Vorschuß von mir verlangt, für seine dämlichen Gewächshäuser. Er hat schon elftausendsiebenhundert Mark Schulden bei uns. Ich habe ihm gesagt, daß ich ihm nichts mehr gebe, daß ich im Gegenteil drei Viertel seiner Bezüge von ihm einbehalte – zur Abdeckung seiner Schulden. Bist du damit einverstanden, Kalli? Du bist mein Partner.«
    »Jott sei Dank!« sagte Rieke. »Det hättste schon vor zwei Jahren tun sollen, Karle. Der olle Hurenbock, det is schade um jede Mark, die de an den jewandt hast!«
    »Nun, Kalli?« fragte Karl Siebrecht wieder. »Ja oder nein?«
    »Natürlich ja, Karl. Du weißt doch, du kannst tun, was du willst. Ich bin nur dein Wachthund.«
    »Ach, Kalli, sage doch nur nicht so was, dann muß ich mich ja schämen. Der Franz ist nun aber mit seinem Geld zu Ende, und mit dem Geld scheint auch seine letzte Anständigkeit flöten gegangen zu sein. Er ist am Nachmittag in meiner Abwesenheit mit einem Anwalt angerückt und hat mit Bücherprüfung und Klage gedroht.«
    »Det is doch janz einfach«, meinte Rieke. »Da nimmste dir ooch ’nen Linksanwalt, den jerissensten, den de findest!«
    »Denselben Rat hat mir schon deine Freundin Palude gegeben, und ich habe ihr gesagt, daß ich keinen Anwalt brauche. Was meinst du, Kalli? Kommen wir allein durch? Wir sind immer anständig gewesen.«
    »Das mach du, wie du denkst, Karl«, sagte Kalli wieder. »Aber wenn du meinst, dem Franz täte mal eine tüchtige Wucht gut …« Er streifte lachend seine Ärmel hoch. »Soll ich, Karl?«
    »Dies ist keine Sache wie mit Kiesow. Wir müssen uns alle mächtig zusammennehmen und dürfen keine Dummheiten machen.«
    »Ach, Karl«, lachte Kalli. »Damit meinst du doch nur, daß du dich zusammennimmst und daß wir keine Dummheiten machen dürfen! Na, wir wollen uns schon Mühe geben, was, Rieke?« Und er nickte der Freundin vergnügt zu,
er
machte sich keine großen Sorgen wegen Franz Wagenseil.
    »Wissen möchte ich nur, was der Franz vorhat«, sagte Karl Siebrecht grübelnd. »Es ist ein verdammtes Gefühl, so dazusitzen und nicht zu wissen, was die tun

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