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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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legte er vor sich. Mühelos las Siebrecht auf dem Deckel »Franz Wagenseil«. Diesen Akt schlug Herr Kunze auf. Er nahm ein Blatt heraus, das noch ungeheftet zuoberst lag, hielt es nahe vor seine Brille und las den mit Maschinenschrift geschriebenen Text langsam durch. Dabei runzelte sich seine Stirn. Nun schloß er den Akt Wagenseil, legte das Blatt aber oben auf den geschlossenen Deckel. Er wandte sich an Karl Siebrecht: »Entschuldigen Sie, wie sagten Sie doch eben?«
    »Ich sagte, daß ich Differenzen mit Herrn Wagenseil hatte.«
    »Und sind diese Differenzen behoben?«
    »Nein!«
    »Sind sie voraussichtlich zu beheben?«
    »Nein!«
    »Und was gedenken Sie zu tun?« – Karl Siebrecht schwieg,Herr Kunze wartete eine ganze Zeitlang geduldig. Dann lehnte er sich über seinen Schreibtisch vor und sagte: »Sie verstehen, daß wir nicht uninteressiert daran sind, wer unser Gepäck befördert, und wie es befördert wird. Wir haben Ihr Unternehmen von den ersten Anfängen an verfolgt. Ich muß sagen, daß die Ansichten über Ihre Firma geteilt waren. Es ist darüber lebhaft verhandelt worden …« Herr Kunze strich mit der Hand fast liebevoll über den Akt Siebrecht & Flau. »… Einige Herren waren der Ansicht, daß die beiden Firmeninhaber zu jung und zu unerfahren für ein so verantwortungsvolles Unternehmen seien. Schließlich waren Ihnen jeden Tag Tausende im Wert anvertraut. Andere Herren begrüßten Ihre Idee. Die Fahrerei mit den Dienstmännern war nicht mehr tragbar, der Gepäckverkehr war längst zu stark geworden. Man wollte Ihnen Ihre Chance lassen. Diese Ansicht drang durch.« Wieder ein Streicheln des Aktes. »Sehen Sie, Herr Siebrecht, wir sind hier nicht in der Provinz, wo man erst ängstlich fragt, wer ist einer, was ist einer? Was ist sein Vater? Wir fragen uns: Was leistest du? Bist du zuverlässig?« Einen Augenblick sah er Karl Siebrecht an. Dann sagte er lächelnd: »Es hat mich immer gefreut, daß Sie die Herren, die für Sie gestimmt haben, nicht enttäuschten. Sie haben tüchtige Arbeit geleistet, mit geringen Mitteln!«
    »Ich danke Ihnen, Herr Regierungsrat …« Karl Siebrecht konnte kaum sprechen, so glücklich war er. Da hatte er Jahre und Jahre gearbeitet und hatte gemeint, niemand nähme Notiz von ihm, und hier hatten hochgestellte Herren sich seinetwegen gestritten, hatten sich für ihn eingesetzt … »Ich danke Ihnen sehr!« wiederholte er heiß und glücklich.
    »Ach, meinen Sie, auch ich hätte für Sie gestimmt? Nun ja, ich bin auch dabeigewesen, es waren aber noch mehr Herren. Und zu danken haben Sie nur sich selbst. Manchmal setzt man auch auf das falsche Pferd.« Plötzlich wurde er ernst. »Aber, Herr Siebrecht, die Zustände, wie sie in den letzten vierzehn Tagen geherrscht haben, die können wir nicht mehr tatenlos ansehen. Die müssen sofort beseitigt werden, vonheute auf morgen! Differenzen hin und her – die Gepäckbeförderung darf nicht unter privaten Differenzen leiden!« – Karl Siebrecht schwieg. Regierungsrat Kunze musterte ihn, dann sagte er leise: »Ist Ihnen nie der Gedanke gekommen, Herr Siebrecht, sich an uns um Hilfe zu wenden? Wir sind doch am stärksten interessiert an der regelrechten Abwicklung der Beförderung!«
    »Nein«, antwortete Karl Siebrecht. »An Hilfe habe ich nicht gedacht. Ich habe schon da und dort verhandelt wegen der Einrichtung von Gepäckannahmestellen auf den Bahnhöfen selbst. Aber –«
    »Aber was?«
    »Ich hatte noch nicht genug Geld beisammen.«
    »Wenn wir Ihnen nun diese Annahmestellen einrichten würden?« fragte Herr Kunze sachte.
    »Das wäre herrlich!« rief Siebrecht rasch. Dann aber besann er sich. Alles, was hier verhandelt wurde, kam zu spät, es kam um mindestens vierzehn Tage zu spät. »Aber –« sagte er wieder, »ich bin an Herrn Wagenseil durch einen Vertrag gebunden –«
    »Richtig, der Vertrag!« sagte Herr Kunze. Er nahm wieder das Briefblatt zur Hand, das auf dem Akt Wagenseil lag, er las es wieder – mit gerunzelter Stirn. »Ich habe hier eine Anzeige von einem Anwalt oder eine Aufforderung – man kann es auch anders nennen, kurz und gut, wir werden hier darauf aufmerksam gemacht, daß ein gewisser Karl Siebrecht noch nicht mündig ist, daher auch nach dem Handelsgesetzbuch weder eine Firma begründen noch ihr vorstehen darf. Wir sollen also dieser Firma jede Gepäckabfuhr untersagen. Sie sind noch nicht mündig, Herr Siebrecht?«
    »Nein, ich bin erst zwanzig Jahre …« Er sagte es tief in Gedanken. Er war

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