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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Nun, er würde sein Wort halten, er würde die alte Minna besuchen.
    Als er aus dem Postamt trat, war es sieben Minuten vor zehn Uhr. Keine Elektrische, kein Pferdeomnibus konnten ihn so schnell zum Schöneberger Ufer bringen, daß er noch pünktlich dort war. Und Herr Regierungsrat Kunze hatte ihm sagen lassen, er müsse pünktlich sein. Es hatte gar keinen Sinn, überhaupt noch dorthinzugehen. Als er noch unschlüssig auf der Straße stand, sah er eine Autotaxe herangefahren kommen. Unwillkürlich winkte er dem Fahrer, und der Wagen hielt neben ihm. Er sagte: »Schöneberger Ufer – Eisenbahndirektion« und stieg ein. Die Wagentür klappte, der Fahrer fuhr an. Zum ersten Mal während seines vierjährigen Aufenthaltes in Berlin fuhr Karl Siebrecht in einem Auto. Er benutzte diesen Wagen, er stürzte sich in die Unkosten, um einen nutzlosen Besuch zu machen, um Scheltworte anzuhören, auf die er nichts zu antworten wußte!
    Eilig, mit lautem Gehupe, glitt der Wagen durch die Straßen, die Karl so oft mit müden Füßen entlanggetrabt war. Er überholte mühelos jedes Fuhrwerk, quetschte sich an einer Elektrischen vorbei, und nun, da der Fahrer freie Bahn vor sich sah, drückte er auf den Gummiball. Die Hupe schrie wie im Triumph auf, und der Wagen schoß noch eiliger vorwärts. Das war noch Fahren, das war überhaupt das einzige Fahren von der Welt! Karl Siebrecht erinnerte sich: damals, als er von der kleinen Stadt nach Berlin gekommen war, hatte ihn noch der Gedanke besessen, Chauffeur zu werden. Bei jedem Auto, das eine Panne hatte, war er stehengeblieben, hatte zugeschaut und auch manchmal einen Rat gegeben, der nicht ganz töricht gewesen war. Zu jener Zeit hatte Franz Wagenseil noch selbst zwei Autos besessen, einen Liefer-und einen Personenwagen – wo waren die eigentlich hingekommen? Ach ja, Franz hatte sie auf Abzahlung gekauft und natürlich nie die Raten pünktlich entrichtet, sie waren ihm sehr schnell wieder fortgeholt worden. Zu jener Zeit hatte Siebrechtschon jedes Interesse an Autos verloren. Sie hatten ihn sogar oft geärgert, wenn sie seinen Handwagen frech umrundeten oder wenn sie, vor dem Rollwagen fahrend, plötzlich laut knarrend den Auspuff betätigten, daß die Pferde sich erschreckt aufbäumten und die Fahrer in einer blauen stinkenden Rauchwolke saßen. Dann hatte auch er auf diese verdammten Biester geschimpft, die nichts konnten, als stinken und Krach machen.
    Nun, jetzt, zum Schluß seiner Zeit als Fuhrunternehmer, saß er in einem Auto! Weiß es der Himmel, er wußte nicht, ob er in einem Vierteljahr Geld genug haben würde, auch nur den Sechser für einen Omnibus aufzubringen! Genug, heute fuhr er in einem Auto. Und wie es nur natürlich war, kam ihm der Gedanke, wie gut sich Gepäck von einem Bahnhof zum andern im Auto fahren lassen würde. Wie rasch würde das gehen, wie gering würde das Schütteln, die Reibung der Koffer untereinander sein. Keine verpaßten Anschlüsse mehr, keine Beschwerden mehr wegen abgestoßener, kostbarer Lederkoffer. Damit konnten selbst die funkelndsten Gespanne Franz Wagenseils nicht konkurrieren.
    Plötzlich sitzt Karl Siebrecht starr da, seine Augen leuchten. Alles ist wie gelähmt in ihm, als sei ein Blitz in ihn geschlagen. Dann aber faßt er sich mit der Hand an die Stirn und kommt in Bewegung. Autos! Das war die rettende Idee, Autos zu mieten, verbot ihm der Vertrag nicht! Nicht nach unten, nicht zu den Handwagen zurück, wie Rieke geraten – vorwärts, zu den Autos, das war die Lösung. Ich Narr! sagte er sich verzweifelt. Ich Idiot von einem Narren! Autos hätte ich mieten, Autos hätte ich kaufen sollen! Damals hatte ich noch Geld, ich hatte über viertausend Mark, es wäre gegangen mit Miete, es wäre gegangen mit Abzahlung – und ich, ich hätte meine Raten pünktlich bezahlt! Ich Narr, ich! Einen Augenblick saß er still, noch erschüttert von dieser Idee, die immer auf der Schwelle seines Bewußtseins gelauert hatte, er wußte es jetzt. Dann überkam ihn Verzweiflung. Zu spät, dachte er, zu spät. Vierzehn Tage zu spät! Alles kommt beimir zu spät! Vier Jahre zu spät habe ich begriffen, daß ich einen törichten Vertrag abgeschlossen habe, und vierzehn Tage zu spät kommt mir der richtige Einfall. Jetzt habe ich kein Geld mehr. Ich kann weder mieten noch kaufen. Nicht die kleinste Anzahlung kann ich leisten. Damals, als es mit Franz Wagenseil losging, hatte ich wenigstens noch fünfunddreißig Mark … Er starrte vor sich hin. Er fühlte

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