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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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schaffen.
    Dann hatte der zu schreien angefangen, er hatte gefunden, was er wollte! Alle waren um ihn gedrängt, ein paar kletterten auf Auto und Anhänger: Karl Siebrecht stand unbeachtet.
    Da war er auf den Führersitz gesprungen und war losgebraust, er hatte nicht mehr an Dumala und den Beifahrer gedacht, er war losgefahren wie der Teufel! Jetzt war alles egal, aber seine Waffen und die Wagen sollten sie nicht bekommen! Lieber fuhr er gegen den nächsten Baum.
    Die schrien und schossen, die tobten hinter ihm auf den Kistenbergen, er aber raste weiter, er schlenkerte mit seinem Lastzug über die Straße, er hörte den Anhänger gegen die Chausseebäume schlagen, er wollte sie schon runterkriegen, sie mochten sich noch so sehr festkrallen! Dieser goldbordierte Affe der!
    Später, als längst alles ruhig hinter ihm geworden war, als der Lastzug mit Vollgas dahinbrauste, fing er an, sich zu wundern, daß sie ihn nicht wenigstens mit dem Auto der Herren Offiziere verfolgten. Erst eine Woche danach erfuhr er von Dumala, daß der in der allgemeinen Verwirrung den Brennstoff hatte auslaufen lassen.
    Er fuhr immer weiter, er wußte noch nicht, wohin. Aber es war klar, daß er nicht zu seinem Ziel fahren durfte. In diese aussichtslose Sache durfte er keinen Menschen verwickeln. Er wußte auch, er kam nicht weit, jetzt telefonierten sie wohl schon in alle Welt. Überall würde man ihn anhalten, nirgends würde er tanken können. In den nächsten zwei Stunden mußten er, sein Lastzug und die Waffen spurlos verschwinden! Gottlob war es ein stilles, weites östliches Land mit Wäldern und Seen. Immer tiefer hinein fuhr er in die Wälder, immer ferner blieben die Dörfer der Menschen. Zwischen den hohen roten Stämmen der Föhren verlor sich das Gebrumm seines Motors, alle laute Welt war weit fort …
    Schließlich fand er den See, den er brauchte, er fand auch eine Stelle, wo er hineinfahren konnte, das Ufer war abschüssig genug. Erst sah er das Auto, dann den Beiwagen in den Fluten verschwinden, weiß schäumte das Wasser, dann lag es wieder still in der Herbstsonne … Nun begann der lange Weg heimwärts, meist in der Nacht, bis er es schließlich wagen konnte, auf eine Station zu gehen und mit der Bahn zu fahren …
    »Schön, mein Sohn!« sagte später Dumala und sah nachdenklich noch einmal das Kreuz auf der Karte an. »Es werden ja auch andere Zeiten kommen, da liegt das Zeug sicher. Aber das ist dir doch klar, daß du in nächster Zeit etwas privatisieren mußt, du bist ein gar zu gesuchter Mann. Der arme Kapitän hat sich den Arm gebrochen, als er vom Lastzug fiel …«
    Nach solchen Erlebnissen ging man zurück in die stillen Zimmer der Eichendorffstraße zu der immer stilleren Frau. Man saß wieder am Steuer des Taxi, und der Fahrgast sagte: »Hören Se mal, Chauffeur, wissense hier nich irgendwo ein Lokal, ein bißchen gepfeffert, verstehense? So richtig mit nackten Mächens, aber richtig nackt, verstehense? Da fahrense mich mal hin!« Heimat – ach du lieber Gott! Dieses verfluchte Berlin!

72. Zwei seltsame Fahrgäste

    Er lernte es immer gründlicher hassen, dieses Berlin, in den langen Monaten, die nun folgten, da er nicht einmal mehr auf das Land fliehen konnte, da er an die kleine Wohnung und an das Autotaxi gebannt war. Wenn er in diesen Jahren 1922 und 1923 eine kleine Fahrt, vom Stettiner zum Anhalter Bahnhof etwa, gemacht hatte, und das Ziel war erreicht, so stieg der Fahrgast nicht etwa aus, zahlte und ging, sondern sie blieben gemeinsam sitzen, Chauffeur und Fahrgast, und fingen an zu rechnen und zu streiten. Der Dollar stand etwa an dem Tage auf siebentausendeinhundertfünfundsiebzig Mark, das dividierten sie durch vier zwanzig und multiplizierten es mit dem Fahrpreis, nämlich zwei Mark sechzig. Dann fingen sie an,den Teuerungszuschlag zu berechnen. Unterdes fuhren die Züge ab, andere Fahrgäste wollten gefahren werden, Zeit wurde vertrödelt, der Frischeste wurde verdrossen. Sie einigten sich und trennten sich, beide unzufrieden, beide mit dem Gefühl, nicht zurechtgekommen zu sein.
    Während aber Karl Siebrecht weiterfuhr, andere Gäste einsteigen ließ und mit den anderen Gästen neuen Streit bekam, entwertete sich schon wieder das eben eingenommene Geld, stieg der Dollar von neuem … Er fuhr nach Haus, bloß um sein Geld abzuliefern, und Rieke stürzte los, sie kaufte dies und jenes, oft, was man gar nicht brauchte, bloß um das Geld anzulegen. Aber alles half nichts, das Fahren half nichts,

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