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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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war vorüber, zudem war es Winter, ein leichter Schnee war gefallen, und die Fremde war blutjung. Er konnte sie nicht vor dem Haus im Vorgarten lassen – er wollte es auch nicht.
    So nahm er denn aus ihrer Tasche die Schlüssel, faßte sie um und brachte sie in den Hausflur. Es war ein schweres Werk, sie Treppe um Treppe höher zu schaffen, er mußte sie fast tragen. Bei jeder Etage fragte er: »Ist es hier, Fräulein?«, aber sie stieg weiter. Sie sagte jetzt nichts mehr, sie hing schwer in seinem Arm, dabei zitterte sie, ihre Zähne schlugen aufeinander … Schließlich blieb sie vor einer Tür stehen. »Ist es hier?« fragte er. Wieder antwortete sie nicht. Er probierte den Schlüssel, und der Schlüssel paßte. Er schloß auf. »So, Fräulein«, sagte er. »Gehen Sie jetzt leise auf Ihr Zimmer. Hier ist Ihre Handtasche. Ich mache die Tür zu. Gute Nacht.«
    Er hatte auf der Diele das Licht angeknipst. Es war eine schöne Diele mit dunklen Möbeln, ein paar alte Familiengesichter sahen fremd von der Wand herab. Sie löste sich aus seinem Arm und tat taumelnd ein paar Schritte. Er sah ihr zweifelnd nach. Schon fiel sie. Sie fiel nicht so sehr, sie sackte in sich zusammen. Es gab kaum ein Geräusch.
    Er war gleich bei ihr und wollte ihr aufhelfen, aber obwohl kein Geräusch entstanden war, hatte sich doch eine Tür geöffnet, und da stand ein Mann, ein untersetzter Mann mit einem Spitzbauch. »Was soll denn das?« fragte der Mann ungnädig, aber nur flüsternd. »Was machen Sie denn hier?« – Karl Siebrecht hatte den Mann sofort erkannt. Er meinte, der Mann müsse auch ihn erkennen. Aber lange Jahre waren vergangen, seit er als Junge bei Herrn Kalubrigkeit gearbeitet hatte. »Nun, wird’s bald?!« fragte der Bauunternehmer, und schon am Ton der Stimme hätte ihn Karl Siebrecht wiedererkannt, an dieser Stimme, die nur schelten konnte!
    »Dem Fräulein ist schlecht geworden«, sagte er halblaut. »Ist das Ihre Tochter?« Es hatte ein anderer Name an der Tür gestanden.
    »Nein, ich wohne hier nur zur Miete. Das ist das Mädel von hier! Eine Schande ist so was!«
    »Wo kann ich sie denn hinlegen?« fragte Karl Siebrecht ungeduldig. »Sie kann doch nicht hier auf dem Flur liegenbleiben. Fassen Sie doch mit an!«
    »Da ist der Salon! Legen Sie sie dort aufs Sofa. Nein, ich weiß nicht, in welchem Zimmer sie schläft. Sind Sie Chauffeur?«
    »Ja«, sagte Karl Siebrecht, nahm das Mädchen auf den Arm und trug es in den Salon.
    Herr Kalubrigkeit ging mit und knipste das Licht an.
    Siebrecht fragte: »Liegen hier irgendwo Decken?«
    »Woher soll ich Bescheid wissen, ich wohne erst seit ein paar Tagen hier. Holen Sie doch Mäntel, es hängen genug Mäntel auf dem Flur.« Herr Kalubrigkeit sah schweigend zu, wie er das Mädchen zudeckte.
    Dann sagte Karl Siebrecht: »So, ich nehme mir jetzt das Fahrgeld aus der Handtasche, passen Sie bitte auf, daß es nicht heißt, ich habe zuviel genommen.« Er öffnete die Tasche, aber er fand nur ein paar Scheine, die keinen Groschenwert hatten. Er sah hoch und begegnete dem schadenfrohen Blick des Herrn Kalubrigkeit.
    »Na –?« fragte der.
    »Ich werde morgen noch einmal vorkommen«, sagte Karl Siebrecht und schloß die Tasche. »Sie sind mein Zeuge –«
    »Ich bin leider nicht Ihr Zeuge«, antwortete Kalubrigkeit spöttisch. »Ich bin im Begriff abzureisen.« Er verstummte und dachte nach. Dann sah er den Chauffeur wieder an. »Am liebsten wäre es mir, wenn Sie mich fahren würden. Wenn Sie mich fahren, zahle ich Ihnen auch die Taxe vom Fräulein.«
    »Jetzt wollen Sie fahren?« fragte Karl Siebrecht.
    »Ja, jetzt gleich.«
    »Und wohin?«
    Wieder überlegte Herr Kalubrigkeit. Dann sagte er: »Ich wollte eigentlich mit dem Nachtschnellzug nach Leipzig fahren, ich bin aber mit dem Packen nicht fertig geworden. Würden Sie mich direkt nach Leipzig fahren?«
    »Jetzt?« fragte Siebrecht und tat, als verstünde er nichts. »In der Nacht? Mit meinem Taxi? Nach Leipzig?«
    »Ja«, antwortete Herr Kalubrigkeit ungeduldig. »Jetzt sofort. Ich habe Ihnen doch gesagt, ich habe meinen Zug versäumt! Verstehen Sie das denn nicht?«
    »Das schon. Aber es liegt Schnee draußen. Wir werden nicht früher in Leipzig sein, als wenn Sie mit dem Frühzug fahren.«
    »Ich will aber mit dem Auto fahren! Wollen Sie kein Geld verdienen?«
    »Doch! Es wird aber eine Stange Gold kosten, Herr.«
    »Gold habe ich nicht!« Herr Kalubrigkeit grinste dünn. »Aber Sie können ein paar Devisen

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