Ein Mann will nach oben
Hausjackett.
Aber Karl Siebrecht war nicht gesonnen, auch in diesem Punkt nachzugeben. Er kämpfte für sein Kanariengelb, so viele Erinnerungen knüpften sich für ihn daran. Er sagte vielerlei Gründe, und er rief, als Herr Eich gleichmäßig ablehnend blieb: »Im übrigen ist die Post auch gelb, und die braucht doch wahrhaftig keine Reklame!«
Herr Eich war überrascht. »Richtig, die Post«, sagte er. »An die Post habe ich gar nicht gedacht. Tatsächlich ist die Postfarbe, wenn ich so sagen darf, Gelb. Ich habe zwar davon gehört, daß dort Erwägungen schweben, vom Gelb auf Rot überzugehen, immerhin – was bei der Post nicht anstößig war, kann es auch bei Ihnen nicht sein!«
Ein erster Sieg Karl Siebrechts, und sofort folgte eine zweite Schlacht um den Firmennamen. Zwar der »Bahnhof- Eildienst « wurde nach einigem Zögern genehmigt, aber »Sie brecht & Niemand« war völlig unmöglich. Sie diskutierten diesen Namen mindestens eine Viertelstunde lang. Sie erhitzten sich, sie stritten sich mit Erbitterung. Schließlich einigten sie sich dahin, daß ein Kompromiß gefunden werden müsse. Sie berieten lange und ernsthaft über den Kompromiß. Endlich wurde als Firmenbezeichnung festgesetzt: »Berliner Bahnhof-Eildienst – Siebrecht, Niemand & Co.« Wie bei allen Kompromissen, die beiden Teilen gerecht werden sollen, waren beide Teile unzufrieden. Aber immerhin hatte keiner ganz nachgegeben, und das hatte etwas Versöhnendes …
Dann versenkten sie sich in Fragen des Zusammenschlusses, der Tarife, der Organisation. Es war weit über Mitternacht, als sich die beiden trennten. Längst war das Haus geschlossen, Herr Eich geleitete seinen späten Gast selbst mit dem Hausschlüssel auf die Straße. »Entschuldigen Sie bitte«,sagte er überrascht, »mir fällt eben ein, ich habe Ihnen nicht einmal eine Tasse Tee angeboten.«
Karl Siebrecht hatte den Eindruck, daß Herr Eich lange nicht so überrascht war, wie er tat. Er sagte, daß auch er nicht an Tee gedacht habe …
»Das kommt daher«, erklärte Herr Eich umständlich, »daß nun auch meine Tochter verreist ist. Sie werden mich entschuldigen.«
Karl Siebrecht entschuldigte. »Das Fräulein Tochter ist für längere Zeit verreist –?«
»Jawohl, für vier oder fünf Wochen. Zu ihrer Mutter, an den Bodensee. – Gute Nacht, Herr Siebrecht.«
»Gute Nacht, Herr Eich!«
94. Die Firma kommt in Gang
In den nun folgenden Wochen fand Karl Siebrecht immer mehr Grund, mit Bewunderung und Dankbarkeit an Hertha Eich zu denken. Er bewunderte ihre Klugheit, er war ihr dankbar für den Takt, mit dem sie sich gerade in diesen arbeitsreichen Wochen ihm entzogen hatte. Sie mußte es vorausgesehen haben, daß ihre Nähe ihn nur verwirren und ablenken würde. Das Vertrauen, mit dem sie eine große Summe Geldes, vielleicht ihr ganzes Vermögen, in seine Hände gelegt hatte, rührte ihn tief. Und wieder bewunderte er ihre Geschicklichkeit, mit der sie ihn ohne ein Wort an die Anwälte Lange & Messerschmidt verwiesen hatte, zwei herrliche Leute, soweit derart behutsame und förmliche Juristen herrlich sein können.
Karl Siebrechts bisherige Erfahrungen mit Anwälten waren wenig ermutigend gewesen, aber diese Anwälte der Familie Eich – einfach ausgezeichnet! Er hätte nicht gewußt, wie er in diesen Wochen ohne sie weitergekommen wäre. Er ging in ihrem Büro aus und ein, er nickte dem Bürovorsteher freundschaftlich zu, tauchte im Allerheiligsten unter und trug seineSorgen vor. Lange & Messerschmidt hörten ihm zu, manchmal beide, manchmal nur einer. Sie schienen immer Zeit zu haben, und sie wußten für alles Rat. Sie fanden für ihn die ausgezeichneten und gar nicht so teuren Büroräume in einem großen Haus in der Nähe des Potsdamer Platzes, glänzend zwischen den wichtigsten Bahnhöfen gelegen. Sie besorgten ihm den Bürovorsteher Körnig, der sich als eine Perle erwies. Sie führten die schwierigsten Verhandlungen für ihn, mit einer unendlichen Geduld und Aufmerksamkeit, immer auf seinen Vorteil bedacht. Ja, in der entscheidenden Besprechung mit den Herren und Anwälten der Bahn griffen sie sogar Herrn Eich mit Hartnäckigkeit an und setzten ihm so sehr zu, daß er in der Tariffrage wesentliche Zugeständnisse machte. Und Herr Eich war doch in seinem Privatleben ihr eigener Mandant, sie waren die Anwälte seiner Familie! Vielleicht wäre es richtiger gewesen, auch die Absage an Herrn Engelbrecht den Anwälten anzuvertrauen. Aber Karl Siebrecht fand, diesen
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