Ein Mann will nach oben
Weile des Horchens fragte er leise: »Schläfst du nicht mehr, Hertha –?«
»Nein«, antwortete sie ebenso leise und suchte im Dunkeln seine Hand. »Ich habe noch gar nicht geschlafen.«
»Ich habe geträumt«, erzählte er. »Ich weiß nicht mehr genau, wie es war, aber ich kam aus dem Dunkeln ins Licht. Das Wasser trug mich empor.«
»Und als du erwachtest, warst du im Dunkel.«
»Aber ich war bei dir. Ich habe nach dir gerufen. Ich wußte sofort, du mußtest da sein. Bist du denn traurig?«
»Ich weiß nicht. Bist du glücklich?«
»Ja.«
Sie drückte seine Hand, dann sagte sie: »Wenn ich mich auf etwas so sehr und so lange gefreut habe, bin ich immer ein wenig enttäuscht, wenn ich es erreicht habe. Schon als Kind habe ich mich zu sehr auf das Weihnachtsfest gefreut, nachher war es nie so schön …«
»Ich bin sehr glücklich, Hertha«, sagte er. »Ich war noch nie so glücklich in meinem Leben.«
»Du mußt mir das immer wieder sagen, ich kann es nicht oft genug hören«, flüsterte sie. »Ich habe mich stets danach gesehnt, einen Menschen ganz glücklich zu machen.«
»Aber du sollst auch glücklich sein, Hertha!«
»Ich bin schon glücklich, ich bin auf meine eigene Art glücklich. Vielleicht fühle ich es erst, wenn dies alles vorbei ist, wie glücklich ich heute nacht war.«
»Es wird nie vorbei sein. Es darf nie vorbei sein.«
Sie schwieg.
»Hertha«, fragte er. »Wie alt bist du eigentlich?«
»Dreiundzwanzig«, antwortete sie ohne Zögern. »Was dachtest du?«
»Ich habe dich immer für blutjung gehalten, siebzehn oder achtzehn. Erst später fing ich an zu zweifeln.«
»Nein«, sagte sie langsam. »So jung bin ich nicht mehr. Die Zeit liegt lange, lange zurück. Ich wollte, ich wäre noch so jung, um deinetwillen wollte ich es, nicht um meinetwillen.«
»Ich bin glücklich«, sagte er. »Ich verstehe wenig von dir, ich weiß nie, warum du etwas tust, du überraschst mich immer. Aber du machst mich glücklich.«
Sie lachte leise. Sie drängte sich an ihn und legte sich in seinen Arm. »Aber muß man sich denn verstehen, wenn man sich liebt?« fragte sie. »Das ist doch etwas ganz anderes! Du hast mich doch lieb?«
»Ja«, sagte er. »Ich habe es erst nicht gewußt. Aber jetzt weiß ich es. Und du –?«
»Doch, ja. Weniges weiß ich so sicher wie dies, daß ich dich liebhabe. Schon als ich die Karte in meiner Tasche fand, fühlte ich es. Damals wußte ich noch nichts. Seltsam, deine Frau hat es zuerst gewußt, und als sie es mir sagte, da wußte ich es auch.«
»Nein«, sagte er. »Da dachte ich noch nicht an dich.«
»Ja«, lachte sie. »Ich habe dich richtig eingefangen, du Armer. Aber du warst leicht zu fangen, du hast nicht viel Erfahrungen.«
Einen Augenblick fühlte er ein leichtes Widerstreben. Dann sagte er: »Darf ich dich etwas fragen, Hertha?«
»Frage nur. Vielleicht antworte ich.«
Er gab sich einen Ruck. »Du bist doch einverstanden, Hertha,wenn wir bald heiraten? Sehr bald?« – Sie schwieg. – »Hertha, darauf mußt du mir antworten!« drängte er. »Das ist doch selbstverständlich.«
»Was ist selbstverständlich? Daß ich antworte oder daß wir heiraten?«
»Beides!«
»Ich weiß nicht, ob ich dich heiraten möchte …«
»Aber, Hertha!« sagte er entsetzt. Er war so fassungslos, er hätte nie gedacht, daß sie ihm dies antworten könnte. »Denke doch an deine Eltern!«
»Was haben meine Eltern damit zu tun? Ich kann dich nicht meiner Eltern wegen heiraten. Ich weiß wirklich nicht, ob ich dich heiraten mag. Das hat Zeit. Laß es weiter sein, wie es jetzt ist. Eben noch hast du gesagt, daß du glücklich bist. Willst du denn mehr als glücklich sein?«
Ihre Logik verwirrte ihn. »Hertha, bedenke, was du schon für mich getan hast, du hast mir Geld für das Geschäft gegeben und hier die Wohnung eingerichtet. Das ist doch alles unmöglich, wenn wir nicht heiraten. Ich kann mich doch nicht von dir – beschenken lassen!«
»Das hat eben der Kleinstädter aus dir gesprochen«, sagte sie spöttisch, kuschelte sich dabei aber zärtlich an ihn. »Diese Ideen werden immer rätselhaft für mich bleiben. Warum du dir von mir was schenken lassen darfst, wenn wir heiraten, aber nicht, wenn wir uns weiterlieben, verstehe ich nicht.«
»Aber das ist doch ganz klar, Hertha! Wenn wir uns nur so liebhaben. Ich meine, eine Ehe ist doch auch eine Kampfgemeinschaft, wie zwei Kameraden –«
»Ich will aber gar nicht dein Kamerad sein. Ich will deine Geliebte bleiben
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