Ein Mann will nach oben
fährt –« murmelte er unmutig. »Ich kann meine Augen auch nicht überall haben!« Womit er seine Sache schon verlorengab.
Der Schutzmann hatte sich ein Urteil auch gemacht. »Los, Jungens!« sagte er. »Helft eurem Opa auf die Beine. Schiebt die Karre an den Straßenrand und tut die Koffer drauf. Das bißchen kaputte Rad bindet ihr mit ’nem Strick zusammen, bis zum Lehrter Bahnhof hält’s dann schon. Kurz vorm Lehrter ist rechts ’ne Schmiede, die flickt euch das für ’n paar Groschen! Und nun –« Der große Moment war gekommen! Der Wachtmeister hatte sein dickes Notizbuch aufgeschlagen und hielt den Bleistift schreibfertig in der Hand. Er sprach nur noch zu dem Dienstmann 13, Kiesow … »Und nun sagen Siemir, soll ich Sie aufschreiben, oder wollen Sie sich mit Ihrem Kollegen im guten einigen –?«
»Ach, die paar Groschen!« sagte Kiesow verlegen.
»Ich frage Sie nicht nach den paar Groschen, ich frage Sie, ob Sie sich mit Ihrem Kollegen einigen wollen!«
»Das macht mir gar nichts aus!« brummte Kiesow.
»Ick frage Sie nicht, ob Sie det was ausmacht, ick frage Sie wegen Einigung!« Der Wachtmeister sprach mit erhobener Stimme, im Affekt wurde sein Tonfall unverkennbar berlinisch.
»Na ja –« antwortete Kiesow.
»Wat heißt hier na ja?! Soll ick Sie aufschreiben?«
»Dieses nicht, Herr Wachtmeister! Ich will, wenn Sie meinen …«
»Sie wollen sich also einigen mit Ihrem Kollegen? Mann, sagen Se endlich, wat Se wollen, oder ick schreibe Ihnen uff de Stelle uff, und Sie haben es für ewige Zeiten in Ihren Papieren!«
»Dieses nun doch nicht! Ich will ja, Herr Wachtmeister!«
»Sie wollen sich einigen?«
»Na ja doch! Das sage ich ja die ganze Zeit!«
»Na, Gott der Herr sei gelobt!« sagte der Wachtmeister und steckte sein Notizbuch umständlich in den Rockschoß. »Sie haben gehört, Opa? Er will Sie schadlos halten. Und wenn er nicht kommt, ich habe die ganze Woche noch Dienst hier am Neuen Tor, dann kommen Sie zu mir. Dienstmann 13, das behalte ich auch ohne Aufschreiben.«
27. Streit mit Kalli Flau
Eine halbe Stunde später hatte der Schmied das Wagenrad geflickt, und der Großvater war auf den Lehrter Bahnhof geschickt worden. Er sollte sich ruhig ein bißchen vor die Halle in die schöne Sonne setzen und den Schreck ausschwitzen. Die Fuhre schafften sie schon allein, und das andere würde alles noch gut werden …
Nun waren sie die Invaliden-und Paulstraße hinuntergefahren und kamen am Schloß Bellevue vorbei in den Tiergarten. Die Bäume waren noch kahl, aber im Sonnenschein sahen ihre Linien sanfter aus, als runde schon der aufsteigende Saft die Äste. Der Rasen aber wurde wirklich grün, und überall brachen aus ihm in gelben, lila und weißen Tuffs die Kelche des Krokus. Die beiden hatten bis dahin sehr rasch gezogen, als wollten sie die verlorene Zeit einbringen, nun verlangsamte sich ihr Schritt. Schließlich gab Kalli das Schieben hinten auf und kam nach vorn zu Karl. Er legte nur eine Hand auf den Holm und sagte: »Laß uns nur langsam gehen, Karl. Auf eine Viertelstunde kommt es jetzt auch nicht mehr an.«
»Recht hast du!« gab Karl Siebrecht zu und schlenderte nur noch. »Wir wollen die Sonne genießen. Es werden noch genug schlechte Apriltage kommen. Gott sei Dank!«
»Warum meinst du Gott sei Dank?«
»Weil die Kerls bei schlechtem Wetter unseren Wagen eher gebrauchen werden als bei gutem.«
Einen Augenblick schwieg Kalli. Dann meinte er: »Du sagst ›unseren Wagen‹, Karl. Aber nimm es mir nicht übel, Karl, mir hast du bisher von der ganzen Geschichte noch nicht ein Wort gesagt.« Wieder schwieg er. Dann setzte er doch hinzu: »Und der Rieke wahrscheinlich auch nicht.«
»Nein, der auch nicht«, gab Karl Siebrecht zu und war ein wenig rot geworden. »Weißt du«, versuchte er sich zu entschuldigen, »ich wollte nicht eher reden, bis es soweit war. Ich mag das Hin-und-Her-Geschwätze nicht. Und dann ist es mir plötzlich über den Hals gekommen, ehe ich noch mit dir gesprochen hatte. Das hat mich selbst geärgert.«
»Ich hätte schon nicht hin und her geschwätzt«, sagte Kalli Flau. »Du weißt gut, Karl, ich mach bei allem mit, was du anfängst. Mit mir kannst du Pferde stehlen. Aber reden wir nicht mehr davon. Was willst du nun eigentlich anfangen?«
Karl Siebrecht setzte es ihm auseinander. Er wurde wieder warm dabei. Wieder fiel das Wort Hornochse. Jeder, der nicht einsah, daß diese neue Regelung für alle Teile vorteilhaft war,war eben ein
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