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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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gar nicht, wann ich euch so was hätte merken lassen!«
    Nun war es Kalli, der schwieg. Als ihn aber Karl Siebrecht drängte: »Sag nur ein einziges Beispiel, wo ich euch verächtlich behandelt habe«, antwortete er nur: »Ach, Karl, wozu soll man das alles heraussuchen? Es sind ja alles nur Kleinigkeiten!«
    Karl Siebrecht rief: »Siehst du, gar nichts weißt du! Das hast du nur so hingesagt, und das finde ich nicht hübsch von dir! Ich bin immer euer guter Freund gewesen, und nun redest du so von mir! Und vielleicht sprichst du auch mit Rieke so über mich …«
    Bei diesen Worten des Freundes hatte sich Kalli Flau aufgerichtet. Unwillkürlich zog er stärker am Karren, der jetzt über die Tiergartenstraße fort in die Friedrich-Wilhelm-Straße rollte. Kalli sah den Freund ein paarmal von der Seite an, rasch, wischte sich mit der freien Hand über den Mund, schluckte und sagte dann grob: »Manchmal verdienst du einfach Prügel, Karl!«
    »Was ist denn jetzt mit dir los?« rief Karl Siebrecht und sah den Freund erstaunt an. »’ne Schraube locker geworden, was?!«
    »Bei wem wohl die Schraube locker geworden ist?« schrieKalli plötzlich wütend. »Du willst mich hier wohl dummreden? Du willst mir Vorwürfe machen, als wenn ich mit Rieke über dich quatsche?! Gleich zwitschere ich dir aber eine, daß du ewig daran denken sollst!«
    »Ich versteh wirklich noch immer nicht, was du eigentlich von mir willst, Kalli?« rief Karl Siebrecht, dem es zu dämmern anfing, daß er es wieder einmal falsch angefangen hatte.
    »So, du verstehst nicht, du Hornochse, du?« schrie Kalli Flau, plötzlich rasend vor Wut. »Dann will ich es dir sagen, du Riesenroß! Von was willst du eigentlich dein großartiges Unternehmen starten? Womit willst du denn Pferde und Wagen bezahlen, he?«
    »Du weißt doch, Kalli«, sagte Karl Siebrecht nun ganz verwirrt, »daß wir Geld gespart haben. Gestern waren es gerade hundert Mark –«
    »So, haben wir Geld gespart, du Flachkopf?« schrie Kalli Flau immer rasender. »Du hast Geld gespart, du hast uns unser Geld abgenommen, heißt das, und dann gehst du her und erzählst allen Leuten von deinem großartigen Rollfuhrunternehmen, aber die Rieke und mich, uns fragst du überhaupt nicht! Ach, du hättest uns gar nicht zu fragen brauchen, nur davon erzählen hättest du sollen – keiner hätte ein Wort dagegen gesagt! Aber du bist ja so schrecklich fein, du kannst das Hin-und-Her-Geschwätze nicht vertragen! Und das nennst du Freundschaft, und mir willst du Vorwürfe machen?! Ich habe immer, ohne Wort, getan, was du willst! Aber du bist noch nie auf die Idee gekommen, uns auch nur zu fragen, ob uns auch recht ist, was sich dein hochgeborener Schädel ausgeheckt hat! Weißt du, was du bist, Karl? Das hochnäsigste Armloch von ganz Berlin bist du, und wenn du so weitermachst, dann kannst du dir deine Freunde bald mit der Laterne suchen! Bloß finden wirst du keine, die Rieke nicht und mich auch nicht!« Nach diesem kräftigen Ausbruch sah Kalli den Freund noch einmal zornig an, spuckte dann kräftig aus, sagte wegwerfend: »Ach was, überhaupt alles Scheibenhonig!« und zog kräftig weiter.
    Karl Siebrecht aber war so bestürzt über diese unerwartete Meuterei seines Getreuesten, daß er im ersten Augenblick seine Gedanken nicht sammeln konnte, sondern nur aufs Geratewohl sagte: »Dir hätte ich schon alles erzählt, Kalli, aber die Rieke redet immer soviel über alles.«
    Damit aber hatte er es erst richtig verkehrt gemacht. Der Kalli Flau tat vor Wut einen Satz, schüttelte ihm die Fäuste vor der Nase und schrie: »Sage das noch einmal, du verfluchter Lügner, du! Nun auch die Rieke schlechtmachen! Von was willst du denn leben die nächsten Tage bei deiner feinen Fahrerei, wenn kein Geld einkommt? Doch bloß von der Rieke! Und du willst behaupten …«
    »Ich habe bloß gesagt, daß die Rieke ein bißchen viel redet.«
    »Die Rieke kann besser den Mund halten, wenn’s darauf ankommt, als du! Du machst deine Klappe immer nur auf, wenn es ganz verkehrt ist! Aber ich habe es jetzt satt mit dir, Karl! Das eben hat mir den Rest gegeben. Bloß Freund sein zum Ja-und-Amen-Sagen und zum Kuschen, dafür danke ich! Mach du dir von jetzt an deinen Dreck alleine, da fahre ich noch lieber auf der ›Emma‹ mit Käpten Rickmers!« Er hatte die Karre losgelassen und stolzierte jetzt steifbeinig wie ein zorniger Gockel zum Bürgersteig hinüber. Karl Siebrecht starrte ihm nach. Er konnte es noch immer nicht

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