Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
Vom Netzwerk:
begreifen, daß dies geschehen war, wie es geschehen war, daß es endgültig zu Ende sein sollte. Nein, es war wirklich noch nicht zu Ende: Kalli Flau kam zurück. Mit zusammengekniffenen Augen und verächtlicher Miene sagte er: »Weil man dir so was ja noch extra sagen muß, Karl Siebrecht: mit der Rieke werde ich kein Wort über die ganze Sache reden, der erzählst du es am besten selbst. Und viel Spaß wünsche ich dir dabei!« Wieder spuckte er aus. Dann setzte er sich in Marsch, von Karre und Freund fort, der Herkulesbrücke zu. Die Jungen waren in der letzten Zeit nicht mehr recht weitergekommen, bei den erregteren Punkten ihrer Unterhaltung waren sie meist stehengeblieben. Kalli Flau ging an das Geländer der Brücke,stützte seine Arme darauf und fing an, in den Landwehrkanal zu spucken, ein Zeichen dafür, was er von dieser Welt und ihren Menschen hielt.
    Karl Siebrecht legte sich in den Ziehgurt und brachte die Karre wieder in Gang. Wie schwer sie ihm plötzlich schien, da er allein an ihr zog! Als er im Rücken Kallis angekommen war, hielt er an und rief, erst halb, dann ganz laut: »Kalli! Kalli Flau!« Schließlich drehte sich Kalli Flau auch um, aber nur halb. Dabei macht er jene auffordernde Bewegung, die nicht nur unter seefahrenden Leuten und in Hafenstädten verstanden wird. Worauf er sich wieder dem Kanal zuwandte und seine Spuckerei neu aufnahm. »Na, denn nicht!« rief Karl Siebrecht patzig und fuhr los, alleine, nach der Kurfürstenstraße 72.

28. Die rote Mütze

    Er hatte es sich so schön gedacht, der Karl Siebrecht, daß der Opa mit Kalli zusammen die Koffer in die Wohnung hinaufschaffen würde, so daß er dem Rittmeister gar nicht vor die Augen kam. Das war nun wieder einmal anders geworden als erwartet. Er würde zu tun haben, die Koffer allein hinaufzuschaffen. Ein paar Stücke waren ganz hübsch schwer, und kein Mensch, der sie ihm auf den Buckel half …
    Und warum das alles? Wegen einem reinen Quatsch! Wegen Empfindlichkeit! Wegen Einschnappen! Nun schön, richtiger wäre es vielleicht gewesen, die beiden vorher zu fragen, schließlich war ihr Geld dabei, das stimmte. Aber er hatte den Kalli ja auch überraschen wollen! Heute mittag hatte der Maler das Schild für den Rollwagen fertig: »Berliner Gepäck-Beförderung Siebrecht & Flau.« Vor dieses Schild hatte er den Kalli führen wollen: Da sieh, was ich mir ausgedacht habe! – Damit war es nun Essig. So ein alberner Affe! Ja, dachte Karl Siebrecht, und die weitreichenden Folgen dieses Streites wurden ihm plötzlich klar, ja, nun war es wohl mit dem ganzen so herrlich geplanten Transportunternehmen Essig –? Er fuhrimmer langsamer. Jetzt sah sein Gesicht finster aus vor lauter Grübeln. Mit den Dienstmännern war es schiefgegangen, darüber war kein Zweifel. Und auf Kalli Flau als Hilfe konnte er auch nicht rechnen. Die hundert Mark muß ich nun wohl schandenhalber zurückgeben? grübelte er weiter. Wenigstens Kallis Anteil, das werden etwa fünfunddreißig Mark sein. Und wie steht es mit Riekes Anteil? Dreißig Mark – dann bleiben mir nur fünfunddreißig Mark, damit kann ich nichts anfangen, da bin ich gleich aufgeschmissen. Und er fing wieder an zu rechnen, was er in den letzten Wochen schon hundertmal berechnet hatte: der Fuhrwerksbesitzer verlangte zehn Mark am Tag für die Stellung des Wagens und der Pferde, dazu fünfundzwanzig Prozent von der Siebrechtschen Tageseinnahme. Das war nicht teuer, aber für Karl Siebrecht war es, auch wenn alles glatt ging, fast zu teuer. Er rechnete sechs, sieben Tage, bis sich die Sache einlief, bis sich die Dienstmänner daran gewöhnt hatten und ihm wirklich ihr Gepäck brachten. Aber nun ging nichts glatt. Kalli Flau hatte Kutscher werden sollen – der fiel schon aus. So mußte Karl Auflader und Kutscher spielen, das war schon schwer genug. Und mit den Dienstmännern war er ganz ernstlich verkracht – würden die sich in sechs, sieben Tagen so weit besonnen haben, daß sie ihm das Gepäck brachten? Dabei konnte er gar nicht mehr so lange warten, genaugenommen besaß er nur fünfunddreißig Mark, und von denen sollte er auch noch den Maler bezahlen. Und all die Tage durch würde er von Riekes Verdienst leben müssen und sollte ihr auch noch erzählen, was er vorgehabt hatte und wie es schiefgegangen war?! Oh, verdammt, verdammt, verdammt – dieser elende Kalli Flau! Das waren gerade die richtigen Freunde, die einen im ersten Moment, wo es wirklich darauf ankam, im Stich ließen!

Weitere Kostenlose Bücher