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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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und getadelt habe – ich habe es doch nicht böse gemeint, ihr wart doch meine einzigen Menschen in dieser großen Stadt Berlin – ach, ihr seid doch eigentlich meine einzigen Menschen auf der ganzen Welt. Aus lauter Liebe habe ich an euch herumgemäkelt, ich wollte euch immer besser haben. Wenn der Opa einen »Charlottenburger« machte, dann hat mich das gar nicht gestört, aber ihr! Ihr wart doch ihr! Der Junge starrte noch einmal zornig ins Fenster, sah nichts und ging weiter. Und nun wirst du zu Rieke hingehen und wirst mich bei ihr verklatschen, so wie du es mit mir vor Kiesow und Küraß getan hast. Ich hätte es ja nie von dir gedacht, aber nun, wo du das eine fertiggebracht hast, wird dir ja wohl auch das andere nicht schwerfallen, und dann ist es zu Ende mit mir und Rieke. Soll ich mich denn gegen einen solchen Dreck auch noch verteidigen? Es kotzt mich schon an, auch nur daran zu denken, und ich soll den Mund auftun und darüber reden? Nein, danke schön, nicht für mich.
    Karl Siebrecht ging in seinem traurigen Zorn immer schneller. Es war ihm gleichgültig, ob er an Vorübergehende anstieß, er merkte es gar nicht. Er dachte immer weiter. Aber wenn Kalli Flau auch in dieser einen Sache sein Wort hielt und der Rieke nichts von dem Streit sagte, es ging doch nicht mehr weiter, dieses enge Zusammenleben in den beiden Löchern der Wiesenstraße. Sie konnten den Riß nicht vor Rieke verbergen, sie konnten nicht so tun, als arbeiteten sie noch zusammen, sie konnten nicht weiter aus einem Topf wirtschaften. Was aber dann? Fort! Und wohin? Wieder in dieSchlafstelle zu der Witwe Bromme, aber diesmal nicht nur Schlafstelle, als einzigen Gefährten den mehlweißen Bäcker Bremer – keine Rieke mehr … Keine Aussprache mehr … Nichts mehr … Oh, dieses Leben war zum Kotzen! Eben dachte man, man hatte sich aus dem Dreck gearbeitet, eben war die »Engländerin« gewonnen, waren die Schulden bezahlt, ein Teil der Schulden – und da saß man schon wieder im Dreck, schlimmer als vorher, denn diesmal hatte man keine Freunde mehr … Karl Siebrecht sieht hoch. Seine Beine haben aufgehört zu laufen, sie sind an ihrem Ziel. Was ist das Ziel seiner Beine? Der Stettiner Bahnhof. Diese guten Beine, sie sind weitab vom Kopf, sie haben noch nicht kapiert, daß es mit dem Stettiner alle ist! Was soll er noch auf einem Bahnhof, auf dem Kiesow und Flau Dienstmänner sind?
    Aber der Junge geht nicht. Der Junge bleibt stehen auf seinem Platz und sieht in die Bahnhofshalle hinein. Es sind die stillen fünf oder zehn Minuten zwischen zwei Zügen, die Halle ist weit und leer. Nur wenige Menschen sind da, nur wenige steigen die breite Treppe zu den Bahnsteigen hinauf oder hinunter – Überängstliche mit Platzsorgen. Von seinem Platz aus kann Karl Siebrecht die Bahnhofsuhr sehen, über der Gepäckannahme hängt sie, sie zeigt 3 Uhr 10. Zwischen vier und fünf Uhr will er den Fuhrunternehmer Wagenseil sprechen, das ist ausgemacht. Und hundert Mark hat er in der Tasche. Wenn die Unterredung so verläuft, wie er erwartet – und warum soll sie eigentlich nicht? Es ist ja schon alles besprochen –, dann ist der Stettiner Bahnhof gar nicht für ihn erledigt, dann wird er ihm noch viel heimatlicher und vertrauter, als er jetzt schon ist … Karl Siebrecht sah auf und sah gegenüber, an einer Säule des Bahnhofsvorbaus, einen langen blassen Jungen lehnen, der ihn unverwandt ansah. »Na, Haifisch?« sagte der Junge schließlich.
    »Tag, Haifisch!« antwortete Karl Siebrecht ziemlich abweisend.
    Sie kannten sich beide, sie jagten beide im gleichen Revier. Der blasse lange Junge mit den grauen Korkzieherhosen hieß Tischendorf, Hans Tischendorf. Kalli hatte gehört, er sei beieinem Rechtsanwalt wegen eines Mankos in der Portokasse fortgejagt worden. Auch hier auf dem Bahnhof stand er in schlechtestem Ruf: er sollte besonders gerne Mädchen vom Lande in den Abendstunden Gepäck tragen, mit dem er dann verschwand. Aber das war wohl geschwindelt, sonst stünde der Junge nicht am hellichten Tage hier. »Flaue Zeit, was?« sagte wieder der Tischendorf. »Wetter ist zu schön!«
    »Meinst du?«
    »Selbstmurmelnd! Tragen die Leute ihr Gepäck lieber selbst! Bei Regen und Kälte sind wir gut!«
    »Kann schon stimmen«, gab Karl Siebrecht zu.
    »Und ob!« sagte der andere. Und dann, ganz gleichgültig tuend, obwohl dies entschieden die Frage war, wegen der er das Gespräch überhaupt angefangen hatte: »Stimmt das, daß mit den Rotmützen verkracht

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