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Ein Mann zum Abheben

Ein Mann zum Abheben

Titel: Ein Mann zum Abheben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Wright
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dafür. Ich setze mich und schaue mich um. Der Frühling kommt zeitig. Die Luft ist feucht und warm, voll vom Duft der sich regenerierenden Blumenzwiebeln. Die Gehsteige werden von gelben Tulpen eingesäumt, sie bilden die Abtrennung zwischen dem Pflaster und der Mauer, so dass wir gut betuchten Hausfrauen, wenn wir rückwärtsfahren, unsere Geländewagen nicht eindellen. In diesem Einkaufszentrum gibt es einen Barnes & Noble und einen Ben & Jerry’s, einen Smith & Hawken und einen Crate & Barrel. In der Nähe des Springbrunnens verbringt eine Gruppe von Jungen aus dem benachbarten Fußballteam die Osterferien damit, Süßigkeiten zu verkaufen, um ein internationales Turnier im Sommer zu finanzieren. Ich wette, dass jeder einzelne dieser Jungen einen biblischen Namen
hat - sie heißen alle Joshua und Gabriel, Adam und Nathan. SCHICKT UNS NACH PERU, steht auf ihrem Schild. WIR HABEN EINEN BALL. Ich lausche den Mozarttönen, dem Plätschern des Wassers in den Brunnen gegenüber, den schwachen Geräuschen von Automotoren und Kindern. Frauen fahren langsam, langsam, langsam über die Bodenwellen, auf dem Sitz hinter ihnen liegen Einkaufstüten, die oben mit bunten, gekräuselten Bändern zugeschnürt sind. In den Tüten befinden sich Tuniken aus einer Art Hanf, der so verarbeitet wurde, das er sich wie Seide anfühlt, Overalls für die Kinder, Gourmetkäsesorten und exotische Früchte, der Roman, der vergangenen Sonntag in der Zeitung besprochen wurde. Das hier ist eine schöne Welt. Das hier ist die Welt, für die Einwanderer sterben, um hineinzugelangen.
    »Ich habe gehört, dass du ein bisschen Urlaub bekommst«, sagt Belinda.
    »Ja, Phil nimmt Tory über die Osterferien mit zu seiner Mutter.«
    »Wie bist du denn aus der Sache rausgekommen?«
    »Hast du’s nicht gehört? Ich bin im Begriff durchzudrehen.«
    Alle lachen.
    »Aber sie sind doch bis Ostern wieder da, oder?«, will Nancy wissen. »Ihr habt doch wohl nicht unser Barbecue mit Flohmarkt am Samstag vergessen?«
    »Natürlich nicht. Ich habe Millionen von Sachen für den Verkauf. Alles steht verpackt in meinem Schlafzimmerschrank. Du kannst, wann immer du willst, vorbeikommen und sie holen.«
    »Wann passt es dir?«
    »Mein Gott, komm einfach irgendwann, du weißt, wo der Schlüssel liegt. Ich glaube, es sind zehn oder zwölf Säcke.«
Ich bin noch nicht dahintergestiegen, was Nancy anhat. Irgendein durchscheinender Kaftan mit wallenden Ärmeln und einer weißen Kapuze, mit dem sie aussieht wie eine Braut, eine Braut in einer Burka.
    »Na gut, weil wir einen neuen Van für das Essen-auf-Rädern brauchen. Das letzte Mal, als ich ihn gefahren habe …«
    »Ich wollte dich gerne etwas zum Essen-auf-Rädern fragen«, sage ich. »Warum bringt ihr Kasserollen zu geschiedenen Männern, aber nicht zu geschiedenen Frauen?«
    Nancy dreht sich mit undefinierbarem Gesichtsausdruck zu mir um. »Es läuft wohl im Moment nicht so gut?«
    Es läuft wohl nicht so gut. Vermutlich hat Jeff ihr erzählt, dass ich das Sch-Wort gebraucht habe und alle schreiend aus der Therapie gelaufen sind. Zur Hölle, oder hat Phil sie angerufen? Wahrscheinlich hat er sie auf einer Kurzwahltaste. Egal, die Geschichte hat mich quer durch die Stadt eingeholt, wenn ich jetzt so darüber nachdenke, ist das die einzige Erklärung dafür, warum sich die anderen so abnormal normal verhalten, warum seit meiner Ankunft so eine ausgiebige, lebendige Unterhaltung herrscht. Ich habe Hunderte Male weinend in Jeffs Büro gesessen, aber jetzt hat Phil geweint, das ist etwas anderes. Die Tränen von Frauen sind billig, eine billige Währung wie der Yen oder Rupien, und es braucht Hunderte, ja Tausende, um sich dafür nur eine einzige Tasse Tee zu kaufen. Doch die Tränen von Männern … die sind alles wert. Eine einzige kann die allerschlimmste Schuld aufwiegen.
    Kelly sieht gequält aus. »Wenn er dich aber noch so gern hat, dass er weint …«
    »Genau«, fällt ihr Nancy ins Wort. »Genau so sehe ich das auch.«
    »Es war eine einzige Träne. Er hat eine einzige gottverdammte
Träne vergossen.« Die Frauen wenden alle ihren Blick ab, als könnten sie angesichts einer solch überzogenen weiblichen Grausamkeit mit Blindheit geschlagen werden, als würde statt Milch Blut aus meinen Brüsten fließen.
    Die Bedienung bringt unsere Salate. Sie stellt sie ab, einen vor jeder Frau, wir murmeln ein Danke. Alle außer Nancy. Trotz ihrer ganzen zur Schau gestellten Höflichkeit macht sie den Bedienungen am Ende oft

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