Ein Mann zum Abheben
Sprache spreche und dass es, natürlich, natürlich, meine eigene Aufgabe ist, mir etwas Gutes zu tun. Fünfzig Minuten, in denen mich Phil voller Frust ansieht, Jeff eifrig nickt und mich auffordert weiterzusprechen. Immerhin wird seine Selbstbeweihräucherung am Ende, wenn er mich rettet, umso größer sein, je mehr ich durcheinander bin und je mehr ich mich unklar ausdrücke. Ich bin das verlorene Schaf, dessen Rückkehr mehr Frohlocken bewirken wird als die anderen Schafe, die inzwischen sicher auf ihren Weiden stehen und Rucola mampfen.
Hinter Jeffs Kopf reiht sich in einem überladenen Buchregal Eheleitfaden an Eheleitfaden jeglicher Richtung und jeglicher Sichtweise. Jeff besitzt hundert Führer, jeder mit hundert Theorien darüber, wie eine Ehe funktionieren sollte, und er wird nicht Ruhe geben, bis wir alle erforscht haben.
»Jede Ehe ist ihr eigenes Land«, sagte er bei einer unserer Sitzungen. »Das verheiratete Paar stellt König und Königin dieses Landes dar, und diese beiden können jedes Gesetz verabschieden, das ihnen gefällt.«
Als Phil sehr ruhig sagte: »Das ist das Dümmste, was ich je gehört habe«, war ich für einen flüchtigen Augenblick sehr stolz. Selbst Jeff musste lachen. Egal - wenn uns dieser Vergleich nicht gefällt, hat er noch eine Menge andere auf Lager. Ich würde gerne wissen, wie viele Leute eine Therapie beenden, weil sie wirklich etwas verstanden haben, und wie viele, weil sie von dem ständigen Tröpfeln der Worte so ausgelaugt sind, dass sie am Ende zu allem und jedem Ja sagen, nur um aus der Tür zu kommen.
Also drücke ich jedes Mal auf dem Heimweg von Jeffs Büro die Nummer 3 meiner Kurzwahl. Es ist nicht der Augenblick, um über Kleinigkeiten zu sprechen, es ist der
Augenblick für ein Gespräch, das mich zum Einkaufszentrum, zum Flughafen oder zur Bahn treibt, wo ich allein in einer abgelegenen Ecke des Parkplatzes sitze und diesem Mann zuhöre, der mir erzählt, wie er mit seiner Zunge die Furche meines Rückgrats hinuntergleitet und meine Fußsohlen an seine Stirn presst. Gerry fragt mich nie, was ich haben will.
»Es darf nicht geschehen«, beschwöre ich ihn.
»Warum sprechen wir dann die ganze Zeit davon?«
»Weil wir uns gerne gegenseitig quälen.«
»In Ordnung, quäle mich.«
»Du weißt, dass ich ein paar Dessous gekauft habe.«
»Großartig, toll! Warte eine Minute, der Empfang in dieser Gegend ist beschissen. Ich will dich nicht verlieren.«
»Ich kann nicht lang reden. Die Damen und ich machen uns zum Walking fertig.«
»Erzähl mir von den Dessous.«
»Ich habe sie nicht für dich gekauft, sondern für meinen Ehemann. Er wird einen Blick darauf werfen, und alles wird ganz anders werden. Er wird ausrufen: ›Hallelujah, ich sehe dich sowohl als meine Frau als auch als meine Geliebte, und diese Ehe ist für immer zu hundert Prozent gerettet.‹«
»Was hat er gesagt? Eine Sekunde. Ich bin auf einer Brücke …«
»Er hat überhaupt nichts gesagt. Ich habe sie noch nicht getragen.«
»Warum nicht?«
»Ich habe Angst. Er hat so seine eigene Art von Sarkasmus, ich glaube, er versucht witzig zu sein.«
»Armes Mädchen.«
»Ich weiß. Ich hole sie andauernd aus der Tüte, breite sie auf dem Bett aus und schau mir alles an.«
»Erzähl mir davon. Beschreib jedes Teil.«
»Also, da gibt es ein Mieder, weißt du, was das ist?«
»Ja, das ist fantastisch.«
»Und darunter diese schwarzen Strümpfe mit elastischen Bündchen, die von selber halten sollen, und High Heels.«
»Das ist wirklich irre.«
»Als ich die in der Umkleidekabine anprobiert habe, habe ich mir vorgestellt, wie meine Beine in den Strümpfen um deinen Hals gleiten. Ich habe mir das Knistern der Strümpfe auf deiner Haut vorgestellt, wenn ich …«
»Warte einen Augenblick, verdammt nochmal, überall Lkws. Ich nehme eine Ausfahrt und suche mir einen Platz, wo wir wirklich reden können. Warte eine Minute. Halt diesen Gedanken fest. Versuchst du mich umzubringen?«
»Ich versuche etwas umzubringen.« Ich biege gerade in den Parkplatz der Grundschule ein. Mein Auto ist das erste. Ich sage Gerry, er soll keine Ausfahrt suchen, da die anderen Frauen jeden Augenblick auftauchen und ich dann auflegen muss. Er sagt, er möchte, dass wir uns sehen. Das hat er mir schon früher gesagt. Ich habe weder mit Ja noch mit Nein geantwortet. Das ist gefährlich, meint er. Es ist dumm, erwidere ich. Er will nur sicher sein, dass wir uns über alles im Klaren sind. Im Flugzeug hätte ich
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