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Ein Mann zum Abheben

Ein Mann zum Abheben

Titel: Ein Mann zum Abheben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Wright
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gesagt, ich hätte etwas losgelassen. Und dass … auch das ist seltsam. Er hat gesagt, es habe ihn gestört, dass ich nicht mehr mit ihm gestritten habe. Seiner Meinung nach hatte es den Anschein, als wäre ich überhaupt nicht mehr da.«
    Ich denke an Gerry, daran, wie temperamentvoll ich bei ihm sein kann, wie wir letzte Woche auf das Football-Spiel zwischen den Carolina Panthers aus Charlotte und den New England Patriots aus der Gegend von Boston gewettet haben. Ich sehe vor mir, wie ich meine Beine um seine Hüfte schlinge und versuche, ihn ins Bett zu ziehen.
    Lynn hält mein Schweigen fälschlicherweise für Skepsis und spricht hastig weiter: »Ich habe nicht ganz Unrecht, ehrlich. Als ich aufhörte zu streiten und mit dem Joggen
und all dem Zeug anfing, um mich abzulenken, ist es mir so gegangen wie dir. Damals habe ich es für eine gute Sache gehalten. Wir waren von all den Jahren voller Streitereien ausgelaugt und brauchten eine Pause. Dann herrschte Frieden im Tal.«
    »Gleichgewichtszustand.«
    »Wie du habe ich gedacht, dass er das, was auch immer ich aufgegeben habe, sowieso nicht gewollt hat. Und dann wacht er eines Tages auf, und aus heiterem Himmel sagt er mir, ich wäre gar nicht ganz da. Was soll ich darauf antworten? Alles, was ich sagen konnte, war: ›Ja, du hast Recht, ich bin nicht ganz da.‹«
    »Das Gespräch hätte ich gerne mitangehört.«
    »Das hast du gerade. Das war alles. Er hat gesagt, ich wäre gar nicht ganz da, und dann ist er durch die Tür hinausgegangen. Wirklich, er ist buchstäblich hinausgegangen, bis ans Ende der Auffahrt, dann hat er sich umgedreht und ist die Straße hinuntergegangen. Er hat nicht das Auto genommen. Bis jetzt weiß ich nicht genau, wohin er gegangen ist.«
    Ich ziehe das Tuch vom Boden des Laufgitters hoch und stöhne laut auf. Wir haben heute Morgen vom Baumarkt extrastarke Reinigungsmittel geholt, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie diesen Flecken gewachsen sind. Außerdem beunruhigt mich die Menge an Giften, die wir im ganzen Raum versprühen. Irgendwo muss es eine Alternative geben zwischen der chemischen Vergiftung der Kinder und der Gefahr, sie der Pest auszusetzen. »Vielleicht hat jemand auf ihn gewartet. Zum Beispiel am Ende des Blocks in einem Auto.«
    Lynn schüttelt den Kopf. »Es ist egal. Letztlich ist er bei dieser Geliebten gelandet. Ich nehme an, sie hatte noch das, was immer es war, was ich irgendwo verloren hatte. Aber weißt du, ich habe den Leuten nur erzählen müssen, dass er
eine Freundin hat, und schon waren sie bereit, ihn auf dem Dorfplatz zu steinigen. Mein Anwalt war begeistert. Gütiger Himmel, was meinst du, sollen wir das ganze Teil nicht einfach wegwerfen?«
    »Ich versuch’s erst einmal mit Bleichmittel. Wie alt war das Mädchen? Vierundzwanzig?«
    Lynn seufzt. »Oh ja, wie aus dem Lehrbuch. Alle haben mir gesagt, ich könnte ihn abzocken. Wir haben die Mediation besucht, und mein Anwalt meinte, wir bringen ihn dazu, sein Boot zu verkaufen und mir die Hälfte des Geldes zu geben. Andy hat sein Boot geliebt. Ich wollte gar nicht die Hälfte von seinem Boot. In meinem Kopf hat etwas klick gemacht, und ich habe zu meinem Anwalt gesagt: ›Wissen Sie, ich bin auch mit daran schuld, es ist also in Ordnung für mich, wenn er sein Boot behält.‹ Und weißt du, was der Anwalt geantwortet hat?«
    »Ich kann’s mit gut denken.«
    »Er hat mir mitten in der Halle die Hand auf den Mund gelegt« - sie demonstriert es mit ihrer eigenen Hand - »und dann: ›Sagen Sie das nie wieder. Denken Sie daran, dass es in jeder Geschichte ein Opfer gibt, und in dieser Geschichte sind Sie das.‹«
    »Guter Gott.«
    »Und weißt du, was ich noch gerne wüsste? Manchmal frage ich mich, was passieren würde, wenn eine Frau innerhalb einer Ehe ganz sie selber bleiben würde, alles sagen würde, was sie sagen will, alles tun, was sie tun will, und die Dinge einfach laufen lassen würde. Was, denkst du, würde sie für eine Ehe führen? Vielleicht wäre es kurzfristig eine wacklige Angelegenheit, aber langfristig gesehen würde der Mann vielleicht sagen: ›Sie macht mich wahnsinnig, aber wenigstens ist sie voll da‹, und dann anfangen, sie zu respektieren. Was meinst du?«

    Wenn ich mich hinunterbeuge, habe ich nicht genug Kraft zum Schrubben, also klettere ich in das Laufgitter. Lynn hilft mir dabei, mein Bein über das Gitter zu schwingen, und reicht mir die Schwämme und Spraydosen. »Wie läuft es mit Andy und der

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