Ein Mann zum Heiraten
geschlafen habe”, fuhr sie atemlos fort, “heißt das noch lange nicht, dass ich jetzt mit jedem ins Bett gehe.”
“Ach tatsächlich? Du überraschst mich”, entgegnete er spöttisch. “In Anbetracht der Tatsache, dass du keine Skrupel hast, einen Mann als Ersatz für einen anderen zu nehmen, dachte ich …”
Weiter kam er nicht, denn Poppy holte aus und verabreichte ihm eine schallende Ohrfeige. Da ihr Tränen in den Augen standen, sah sie den roten Abdruck ihrer Hand auf seiner Wange nur undeutlich. Entsetzt fragte sie sich, was sie getan hatte. Sie konnte es nicht fassen, dass sie so die Beherrschung verloren hatte.
Obwohl um sie her dichtes Gedränge herrschte, nahm sie in diesem Moment nur noch James wahr, der wie erstarrt dastand. Der eiskalte Ausdruck in seinen Augen und seine spürbare Anspannung lähmten sie förmlich.
“Ich hatte von dir nichts anderes erwartet, und ich finde es ziemlich altmodisch”, meinte James schließlich. “Aber ich habe eine Überraschung für dich, Poppy. Wenn du noch Jungfrau gewesen wärst, hättest du es dir vielleicht gerade noch leisten können, dich so rollentypisch zu verhalten. Da du jedoch nicht länger Anspruch auf deinen Status als vertrocknete alte Jungfer erheben kannst, ist es höchste Zeit für dich zu lernen, dass physische Gewalt vonseiten einer Frau bei einem Mann viel mehr bewirken kann, als nur seinen Adrenalinspiegel in die Höhe zu treiben. Er könnte es auch als Anmache auffassen, weil sie ihm dadurch zu verstehen gibt, dass sie ihn will.”
“Nein”, brachte Poppy mühsam hervor. Da sie den Eindruck hatte, ihr Gesicht wäre maskenhaft starr, schaffte sie es kaum, dieses eine Wort auszusprechen.
“Oh doch”, beharrte er leise. “Und bevor du auch das abstreitest, denk lieber einmal in Ruhe darüber nach. Selbst früher, als Frauen Männern noch Ohrfeigen verabreichen durften, wussten sie, dass es eine zweideutige Geste war. Der betreffende Mann konnte es als Zurechtweisung auffassen, sich aber gleichzeitig an ihr rächen, weil sie ihn in seiner Ehre gekränkt hatte.”
Als er ihre Miene sah, verzog er verächtlich den Mund. “Komm schon, Poppy. Erzähl mir nicht, dass du noch nie ein Buch gelesen oder einen Film gesehen hast, in dem der Held sich nicht für die Ohrfeige rächt, die die Heldin ihm verpasst hat, indem er sie an sich zieht und küsst, bis ihr Hören und Sehen vergeht.”
“Das gibt es nur im Buch oder im Film”, protestierte Poppy mit bebender Stimme. “Und außerdem bist du kein Held, und …”
“Und du bist keine Heldin?”, beendete James den Satz für sie. “Vielleicht nicht, aber vergiss nicht, dass ich es mir womöglich nicht gefallen lasse, wenn wieder einmal dein Temperament mit dir durchgeht, und dass ich genau weiß, wie ich dich zur Besinnung bringen kann.”
“Indem du mich küsst, ja?”, höhnte sie, obwohl sie innerlich zitterte. James und sie waren schon oft wütend aufeinander gewesen, doch es war noch nie so eskaliert, und noch nie hatte eine derart spannungsgeladene Atmosphäre zwischen ihnen geherrscht.
“Nein”, erwiderte er leise und schüttelte den Kopf. Poppy wollte schon erleichtert aufatmen, als er genüsslich hinzufügte: “Nicht indem ich dich küsse, sondern indem ich dich nach oben bringe, dich aufs Bett werfe und …”
“Und was?”, erkundigte sie sich, bemüht, sich ihre Angst nicht anmerken zu lassen. “Indem du mich vergewaltigst?”
Das Lächeln, das er ihr jetzt schenkte, ließ sie erschauern.
“Oh nein”, meinte er trügerisch sanft. “Ich müsste keine Gewalt anwenden – nicht wenn du zu mir sagst, dass du mich willst, und mich anflehst, dich zu berühren, dich zu nehmen und …”
Plötzlich wurde ihr kalt, und sie glaubte, jeden Moment das Bewusstsein zu verlieren. Schnell schloss sie die Augen und versuchte sich zusammenzureißen. Auf keinen Fall wollte sie sich noch mehr erniedrigen, als sie es ohnehin schon getan hatte.
“Ich hasse dich, James”, stieß sie schließlich hervor. “Mehr als ich je einen Menschen gehasst habe.”
Am liebsten hätte sie sich umgedreht und wäre vor James geflohen. Aber wie lange konnte sie ihm aus dem Weg gehen? Irgendwann würde sie ihm doch wieder gegenübertreten müssen, und dann musste sie sich nicht nur mit dem auseinandersetzen, was letzte Nacht passiert war, sondern auch mit ihrem unprofessionellen Verhalten.
Nein, am besten war es, wenn sie sich ihm gegenüber betont gleichgültig gab und ihn einfach
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