Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
Vom Netzwerk:
Cäsarea zu holen! Und doch war er Tiberius noch eine Antwort schuldig.
    »Es gibt kein Volk, das mit den Juden vergleichbar wäre«, sagte er. »Kein anderes Volk hat seine Götter auf einen einzigen reduziert und beschlossen, jenen Gott als Vater anzuerkennen. Die Juden sind die intolerantesten Menschen, die ich kenne. Die Cherusker, die Vindelizier oder die Friesen halten sich je nach ihrer militärischen Ausstattung uns gegenüber für überlegen oder unterlegen. Die Juden aber, mein Kaiser, betrachten sich immer und uneingeschränkt als Überlegene.«
    »Herodes der Große hat doch ihren berühmten Tempel wiederaufbauen lassen. Und sie hassen sein Geschlecht?«
    »Sie holten den Leichnam des Herrschers aus dem Grab, um ihn den Hunden zum Fraß vorzuwerfen.«
    »Und das wird immer so sein, meinst du?«
    »ja. Bis zur Ankunft des Messias.«
    »Was soll denn das nun wieder heißen?« fragte Tiberius und kratzte sich am Ohr. »Die Mücken sind arg zu dieser Tageszeit.«
    »Da bin ich auch ein bißchen überfragt. Angeblich soll ein König vom Himmel herabsteigen, um sie zu befreien und das Königreich Davids wiederherzustellen.«
    »Laß uns hineingehen«, schlug Tiberius vor. Er ergriff den Arm des Prokurators. »Alles, was du mir mitgeteilt hast, bestätigt mich nur in dem Gefühl, das ich seit einiger Zeit habe: Die Juden in Palästina werden auf immer und ewig Störenfriede sein. Was hältst du davon, sie des Landes zu verweisen?«
    Ambivius stolperte vor Überraschung über eine der drei Stufen, die von der Terrasse zum Innenhof hinabführten. Die kaiserliche Hand fing ihn auf.
    »Wir zerstreuen sie übers ganze Reich«, spann Tiberius seine Idee weiter, »und zwar in Grüppchen von hundert oder hundertfünfzig Mann. Ein paar in die senatorischen Provinzen, ein paar in die kaiserlichen Provinzen. Was meinst du? Und vielleicht können wir sogar unsere Handelsländer dazu überreden, uns einige dieser lästigen Bündel abzunehmen. Wenn sie so über die Erde verstreut sind, in Rätien, im Norikum, in Pannonien, Mösien und Belgien, auf Sardinien und warum nicht auch in Kappadokien oder Mauretanien, dann wird ihnen das Träumen vom davidischen Königreich schon vergehen. Und in Palästina werden wir dann Idumäer, Nabatäer und andere Völker ansiedeln.«
    Ambivius’ Gesichtsausdruck wurde noch hündischer. Es fiel ihm nicht schwer, sich ein paar Tränen aus den Augen zu quetschen, da der Sandelholzrauch seine Wirkung tat.
    »Wunderbar!« rief er. »O du bewundernswertes Genie!« Und als Krönung: »Bewundernswertes kaiserliches Genie!« Die Höflinge verfolgten überrascht diesen Begeisterungsausbruch, als Ambivius sich bückte, um von neuem die Toga seines Herrn zu küssen.
    Dann richtete er sich ganz plötzlich wieder auf, als wäre ihm ein schrecklicher Gedanke gekommen.
    »Was ist los?« erkundigte sich Tiberius und schob ihn dabei in Richtung Speiseraum.
    »Es gibt mehr als dreihunderttausend Juden, mein Kaiser.«
    »Decianus!« rief Tiberius einen Höfling herbei. »Du kennst doch die Flotte. Wie viele Schiffe sind zum Transport von dreihunderttausend Menschen nötig?«
    »Wie lange soll die Reise dauern?« fragte Decianus, ein kleiner, kahlköpfiger Mann um die Dreißig.
    »Sagen wir mal, es handelt sich um eine Überfahrt von Palästina nach Sardinien«, meinte Tiberius.
    »Ungefähr zwei Wochen. Man kann hundert Passagiere auf eine Triere einschiffen, fünfzig auf eine Diere, und ebenso viele haben auf einem Handelsschiff Platz. Eine mit dreißig Schiffen bestückte Flotte könnte somit tausendfünfhundert bis zweitausend Fahrgäste transportieren. Und auf kürzere Strecken ist es sogar möglich, ein bis zwei Zehntel mehr Menschen zu befördern.«
    »Hm«, meinte Tiberius. »Mit hundertfünfzig solchen Flotten könnten sie also alle außer Landes geschafft werden.«
    »Wir müssen ja nicht alle wegschicken«, warf Ambivius ein. »Die Hälfte würde auch schon genügen.«
    Sie gingen zu Tisch. Mädchen- und Knabenchöre sangen Trinklieder, wie sie der Prokurator noch nie gehört hatte.
    »Illyrier«, klärte Decianus ihn auf. »Unser Herr hat vor, die Juden zu verschiffen, wenn ich recht verstanden habe?«
    Ambivius antwortete mit einem bedächtigen Kopfnicken.
    »Es würde mich schon sehr wundem«, bemerkte Decianus, während er den Wein kostete, »wenn Herodes sich seines Volkes berauben ließe.« Und dann, als die hellen Stimmchen gerade besonders hoch sangen, nutzte er die Gelegenheit, um

Weitere Kostenlose Bücher