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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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und verängstigt, dieses kleine Bündel Elend mit den zarten, schmalen Schultern, doch unentwegt lächelte sie.
    »Sie ist noch sehr schwach, aber sie wird wieder zu Kräften kommen«, sagte Jesus.
    Wieder erhob sich ein Raunen, und kaum hatte er zu Ende gesprochen, wurde er von einigen umstehenden Männern auf die Schultern gehoben, darunter auch Simon und Natanael. Laute Rufe erschollen. Die Straße war schwarz von Menschen. »Lob dem Herrn! Gegrüßt sei Sein Messias!« Noch wie betäubt von seinen Anstrengungen, war Jesus gar nicht so recht in der Lage zu begreifen, wie ihm geschah. Israel, dein Herz schlägt immer noch, trotz all des Unrechts! Israel, welcher Heilkundige wird dich in seine Arme schließen, um dir das Leben wiederzuschenken?
    In der Menge, die sich nun der Synagoge näherte, fuchtelte ein Mann wild mit den Armen. »Meister!« brüllte er aus Leibeskräften. Der Hals schwoll ihm dabei an vor Anstrengung. Jesus kam das Gesicht bekannt vor, doch er konnte sich nicht entsinnen, woher. »Meister!« rief der Mann mit überschwenglicher Stimme. »Ich bin es, ich, Thomas von Didyma! Antiochia, erinnerst du dich?«
    Ja, natürlich! Jesus nickte. Er wollte auf keinen Fall in diesem Siegeszug zur Synagoge geschleift werden. Es gelang ihm, mit den Füßen wieder auf den Boden zu kommen und sich von den Samaritern frei zu machen. »Geht, betet zum Herrn und dankt Ihm«, rief er ihnen zu, während es Thomas trotz des Gewühls gelang, eine Hand von Jesus zu fassen und sie mit Küssen zu bedecken. Endlich zerstreute sich die Menschenmenge, da ein Großteil der Samariter die Synagoge aufsuchte. Gemeinsam mit Thomas kehrte Jesus zur Herberge zurück. Thomas’ Gesicht wirkte mittlerweile noch verwüsteter, die Augen noch wirrer und fiebriger als damals in Antiochia. »Zwei Königreiche, Meister! Nicht wahr, es sind doch zwei Königreiche?« fragte er, während ihn die anderen mit einer Mischung aus Neugier und Mißtrauen musterten. »Aber ist es auch sicher, daß das Königreich Gottes das des Geistes ist und das Reich des Teufels das der Materie?«
    »Was redet der denn da?« brummte Simon.
    »Mann!« fuhr Thomas ihn an. »Wenn dein Gehirn ordentlich arbeiten würde, würdest du schon verstehen, wovon ich rede! Wenn Gott und der Teufel gleichermaßen an der Welt teilhaben, würde das bedeuten, daß der Teufel ebensogut Geist wie Materie sein kann; ist die Welt jedoch in Geist und Materie aufgeteilt, so heißt das, daß alle Materie dem Teufel und aller Geist Gott angehört. Bauer, siehst du denn nicht, welche Konsequenzen all das hat?« Und zu Jesus gewandt: »Nein, das begreift er nicht!«
    »Sei friedlich, Thomas«, dämpfte ihn Jesus, belustigt über soviel aufbrausendes Temperament. »Auch der Teufel kann immateriell sein.« Der Teufel! Wogegen hatte er vorhin eigentlich gekämpft, um das kleine Mädchen zu retten? Gegen den Teufel? Oder gegen den Tod? War der Tod vielleicht ein Verwandter des Teufels? Oder aber war das, was man Teufel nannte, nur ein bestimmtes Gesicht des Todes? »Wie verhält es sich denn nun wirklich damit?« fragten Andreas und Simon.
    »Meister, ich frage mich, wie du, der du an Macht und Kraft des Geistes über den großen Apollonios triumphiert hast, die schwerfällige Begriffsstutzigkeit dieser Leute ertragen kannst!«
    »Was?« erbosten sich Andreas und Simon, während Natanael schadenfroh lachte über den Angriff, den die beiden Brüder sich von Thomas gefallen lassen mußten.
    »Gebt Frieden, alle miteinander«, beschwichtigte Jesus. Und zu seinen ersten Jüngern gewandt: »Versteht ihr denn nicht? Wenn die Welt zwischen Gott und dem Teufel aufgeteilt ist, und zwar alles, was sie ausmacht, Geist und Materie, dann bedeutet das doch, daß auch der Teufel seinen Anteil am Geistigen besitzt!«
    »Gab es denn daran irgendeinen Zweifel?« warf Philippus ein. »War der Teufel vor seiner Auflehnung gegen seinen Herrn nicht schließlich ein Erzengel?«
    »Ha«, machte Thomas. »Für einfache Seelchen ist eben alles einfach! Wenn es euch so einleuchtend erscheint, daß auch der Teufel über einen Anteil am Immateriellen herrscht, müßte es euch ebenfalls einleuchten, daß, da der Geist ja unvergänglich ist, auch der Teufel ewig sein muß.«
    »Ja, und?« fragte Philippus, unter den fassungslosen Blicken von Andreas und Simon.
    »Da fragst du noch?« Thomas wedelte wild mit den Armen durch die Luft. »Wenn der Teufel ewig ist, Bruder Philippus, warum folgst du dann überhaupt diesem Mann

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