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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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der Väter ein Ende setzen!«
    »Jahwe ist mein Vater!« rief Jesus aus.
    Sie schüttelte den Kopf. »Verrat!« stieß sie mit rauher Stimme hervor. »Alles, was irgendwie väterliche Wesenheit besitzt, wird dich verraten und dich Folterqualen aussetzen! Hörst du, was ich sage?« schrie sie. »Sie werden dir getreulich folgen, solange sie glauben, daß du nach ihrer Pfeife tanzt, aber in dem Augenblick, in dem sie begreifen, daß du nicht der Messias bist, werden sie dich verraten! Und deine Stimme wird gellen wie Lilits Stimme!«
    »Lilit?«
    »Die unfruchtbare und erste Frau Adams. Sie wollte den Sohn zu ihrem Geliebten machen, doch welch grausige Hochzeit zwischen dem jungen Mann und der unfruchtbaren Frau! An manchen Abenden kannst du Lilit hören, wie sie ihren Schmerz hinausheult, während sie die Lager der jungen Männer und die erntereifen Felder verwüstet, Neugeborene tötet und den Kelch der jungen Braut zerschmettert! Und doch, Jesus, wird dich Lilit, deren Brüste und Lippen über und über blutbesudelt sind, bis zum Wahnsinn lieben... Sie wird dir sogar das Leben retten. Ich sehe Lilit, als junges Mädchen tanzt sie in der Wüste«, schrie Kadath auf, »sie tanzt nackt in der Wüste...«
    Sie war völlig verstört. Die Sklavinnen eilten ihr zu Hilfe, als sie sich auf den Diwan zurückfallen ließ.
    »Nackt in der Wüste«, flüsterte sie. »Ich habe sie gesehen!« Sie wirkte plötzlich noch trauriger, noch müder. »Ich bin erschöpft«, meinte sie. »Du hast mich Kraft gekostet...«
    Jesus erhob sich. Die Pythonschlange entwand sich seinem Arm und ließ sich langsam und weich zu Boden gleiten.
    »Eines der Mädchen wird dir zeigen, wie du unbemerkt an der Menge vorbeikommst.«
    Sie bog den Kopf zurück und schloß die Augen. Ihre mit Ringen beladene Hand ruhte auf ihrer Brust.
     
    Das Gäßchen machte einen Knick, hinter dem unvermutet eine breite Straße im weißflirrenden Sonnenlicht lag. Rom hatte den Labyrinthen des Orients also nur seine großspurigen Fassaden aufgesetzt. Jesus hörte hastige Schritte hinter sich; es war Natanael, der ihn nun einholte. Er war in Tränen aufgelöst. Voller Fragen steckte er, doch er verbiß sie sich.
    »In ganz Sebaste spricht man nur noch von dir«, keuchte er außer Atem.
    Die anderen warteten in einer Taverne. Mit einer Flut von Fragen stürzten sie ihm entgegen.
    »Der erste heftige Windstoß des Frühlings verweht die Saat«, sagte er nur.
    Sie fanden eine ruhige Herberge, in der sie nicht mit Belästigungen zu rechnen brauchten, und dort, an diesem Abend, hätten die vier Jünger sogar Schweinefleisch gegessen, wenn er es von ihnen verlangt hätte.
    Nachdem die Nacht hereingebrochen war, verließ Jesus noch einmal die Herberge, um ein wenig durch die Straßen zu wandern. Er rief sich Einzelheiten des Gesprächs mit Kadath in Erinnerung. Verrat! Jeder hätte das vorhersehen können. Ja, der Verrat war unvermeidbar. Aber Lilit, die Tänzerin in der Wüste? Wer sollte das sein? Dann plötzlich tauchte die Frage auf: Wer führte ihn? Welches war sein Weg? Die Spuren des Hellenentums, die sich im flackernden Fackelschein hier und da von der Dunkelheit abhoben, konnten ihm keinen Hinweis geben, es sei denn, daß Israel nicht mehr in Israel lag. Samaria, Sebaste, Augusta — und dann diese fremdländischen Gesichter, denen man in der Nacht begegnete. Rom hatte der Welt sein Gesicht aufgedrückt, also mußte man Rom ein anderes Gesicht aufdrücken. Als er zurückkam, erwarteten sie ihn mit besorgten, ängstlichen Gesichtern. Er hätte gern alles erklären und sie vorbereiten wollen, während er so vor ihnen stand, schweigsam und geheimnisvoll. Vieldeutigkeit verwirrt die Schwachen und Unentschlossenen, ging es ihm durch den Kopf. Er wünschte allen eine gute Nacht und ging schlafen.
     

IV.
     
    Messias wider Willen
     
    Polternde Schläge gegen die Tür rissen Jesus aus dem Schlaf. Er warf sich seinen Mantel über und ging öffnen. Es war Simon, völlig in Panik.
    »Meister! Sie sind da, vor der Tür! Es werden immer mehr, und der Herbergswirt ist schon ganz verängstigt!«
    »Von wem redest du denn nur?« fragte Jesus, während er einen Wasserkrug vom Fensterbrett nahm und in langen Zügen trank.
    »Die Leute von gestern, Meister!«
    »Und wie haben sie mich gefunden? Hast du etwa deinen Mund nicht halten können?«
    »Aber nein, Meister!« protestierte Simon unter heftigem Kopfschütteln und mit leidenschaftlicher Stimme. »Ich selbst wurde ja geweckt vom Wirt,

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