Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
Vom Netzwerk:
er später, führten Perlen und Korallen mit sich, um sie in Alexandria zu verkaufen.
    Sobald er den atemlosen alten Mann auf seinem Esel bemerkt hatte, brüllte der Karawanenführer einen Befehl, und der Zug hielt an. Schwarze Augen fixierten Josef, der wußte, daß die Nabatäer Aramäisch sprachen. Er wandte sich an den Führer der Karawane, einen etwa vierzigjährigen Mann mit dem Gesichtsausdruck eines Falken. Er erklärte ihm seine Lage: eine Frau, ein Säugling, kaum Nahrungsmittel und fast kein Wasser. Er wolle nach Alexandria. Ob man ihm wohl gegen ein Entgelt die Reise auf einem der etwa zwölf unterschiedlich beladenen Tiere gestatte?
    »Von Bezahlung kann nicht die Rede sein«, antwortete der Karawanenführer. »Du würdest uns beleidigen. Geh und hole die Deinen! Wir warten hier auf dich.«
    Er beugte sich hinunter und musterte Josef.
    »Du kennst wohl die Wüste nicht, Alter? Bis zur nächste Oase ist es mehr als eine Dreitagesreise. Du würdest verdursten.«
    Er reichte Josef eine Feldflasche.
    »Zwei Schlucke für dich und zwei für deine Frau, mehr wäre schädlich. Aber viel Wasser für das Kind, weil es die Hitze sonst umbringt.«
    Dankbar wünschte Josef ihm, seiner Familie und seinem Stamm den Segen des Herrn, und erst als er bereits weggeeilt war, um die Seinen zu holen, fiel ihm ein, daß diese Leute ja vom Himmel gefallene Steine anbeteten.
    Nach einer Woche erreichten sie Alexandria. Als Josef sich von dem Nabatäer verabschiedete, der ihm das Leben gerettet und ihn nicht ein einziges Mal gefragt hatte, aus welchem Grund er eigentlich mit einer Frau und einem kleinen Kind in der Wüste umherirrte, kamen ihm vor Dankbarkeit die Tränen. Und es sollten nicht die einzigen bleiben. Der Nabatäer gab ihm nämlich einen kleinen Stoffbeutel, den er ihm erst zu öffnen einschärfte, wenn er fort sei.
    Als er ihn schließlich aufknüpfte, fand Josef darin eine Perle, groß wie eine Erbse. Von dem Geld, das er für sie zu bekommen hoffte, würden sie mehrere Monate leben können.
    Denn es galt nun, in Alexandria zu leben, in dieser unbekannten, teuren Stadt, die Josef nur deswegen als Ziel gewählt hatte, weil er wußte, daß sich hier im Lauf der Jahre eine Kolonie von mehreren tausend Juden entwickelt hatte. Auch manche andere Kolonie blühte hier, wie es hieß: Da waren Galater, Illyrier und Achaier, Leute aus Kyrene, Karthago und Pergamon, Überläufer, die aus untergegangenen Königreichen und vor rachsüchtigen Tyrannen geflohen waren, Sterndeuter und Philosophen, Hedonisten und Seher. Im übrigen hatte man ihm erzählt, daß das ägyptische Königshaus seit der Unterwerfung unter die Römer viel zu geschwächt sei, um für all diejenigen eine Gefahr darzustellen, die nicht die ägyptischen Götter mit ihren Falken-, Katzen-, Affen- oder Nilpferdköpfen verehrten. Nein, die Regierung war schwach und unfähig, mit strenger Hand durchzugreifen. Selbst der leichte Seewind, der die Jasminzweige an den Balustraden der Villen am Meer tanzen ließ, schien Josef charakterlos und suspekt.
    Und wirklich, schon auf dem Weg zur Synagoge verzog er mürrisch sein Gesicht beim Anblick der skandalösen Szenerie, die sich ihm darbot: Frauen, deren Gesicht nicht nur unverschleiert, sondern auch noch geschminkt war, die Lippen rot, die Wimpern schwarz und die Wangen weiß, Frauen, die aufreizend und aufwendig gekleidet waren, lächelten und offen mit Männern sprachen, dazu Knaben, die viel zu leicht und teuer gekleidet und aufwendig frisiert waren, und Männer, die mit den einen wie den anderen schäkerten... Maria auf ihrem Esel sperrte weit die Augen auf. Josef befahl ihr, sich das Gesicht zu verhüllen und zu beten. Er seufzte erleichtert auf, als sie die Synagoge, ein freundliches, tröstliches Gebäude in einem solch heidnischen Land, erreichten. Er zog den Esel unter den Torbogen, band ihn an einem der dort eingelassenen Eisenringe fest und schob Maria eilig vor sich her in den Hof.
    Sogar der Rabbiner, dachte Josef bei sich, ist hier anders als in Palästina. Erstens ist er zu fett, und außerdem lächelt er zuviel. Doch der Rabbiner war Josefs Los gegenüber nicht gleichgültig. Er fand rasch eine Unterkunft für die Flüchtlinge im jüdischen Deltaviertel und schlug sogar vor, daß der alte Priester und Zimmermann seinen Lebensunterhalt durch die Ausbildung von Lehrlingen verdienen könne.
    »Aber diese Stadt...«, begann Josef und erschauerte vor Entrüstung. »Zunächst einmal soll sich meine Frau um

Weitere Kostenlose Bücher